Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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er Fahne in 
bei Zamosc. 
es Augenzeugen 
ritz Neunrailu. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
armee zu den: so oft bewährten 
Flankenangriff über. Den rus 
sischen rechten Flüael bei Wehlau— 
Allenburg schützten die Moor 
gegendendes Frischingflusjes und 
andere natürliche Hindernisse vor 
Überraschungen; der linke Flügel 
war gegen drohende Umklamme- 
rungen durch das 22. (finnische) 
Armeekorps gedeckt. 
Am Donnerstag den 10. Sep 
tember herrschte in der Morgen 
frühe lebhafter Wind. Zwischen 
den Städten Drengfurt und An 
gerburg tobte der Kampf beson 
ders scharf. Immer neue Rauch 
säulen stiegen zum Himmel. Der 
Wind fegte sie zur Erde nieder. 
Über der Walstatt erschienen kleine, 
wolkenartige Gebilde, die Schrap 
nelle, die einen Augenblick am 
unteren Rande schwarz erschienen 
und dann ihren vernichtenden In 
halt herniederschütteten. In einem 
Soldatenbriefe heißt es darüber: 
„Wir rückten mit der Bahn nach 
Nordenburg und nachher in Mär 
schen bis zwischen Darkehmen und 
Eoldap, wo wir auf den Feind 
stießen. Das erste tödliche Ringen 
begann um sieben Uhr früh auf 
der ganzen Linie und währte bis 
drei Uhr morgens am nächsten 
Tage. Dann mutzten wir uns 
zurückziehen, da der Feind vier 
mal stärker war. Später aber 
blühten uns die Rosen." 
Sehr eindrucksvoll schildert ein 
deutscher Offizier die grotze Be 
drängnis seines Bataillons in 
jener für uns siegreichen Ent 
scheidungsschlacht: 
„Es war nach hartem Ringen 
bereits die zweite stunde nach 
mittags; seit früh fünf Uhr tobte 
der Kampf. Stundenlang pfiffen 
uns die Kugeln um den Kopf, 
und fast alle Pferde und Mann 
schaften meiner nächsten Um 
gebung liegen in ihrem Blute, 
auch mein braver Rappe, den ich 
gestellt bekommen habe. Unser 
Bataillon ist bis zur letzten Reserve 
eingesetzt und hat sich bis auf 
200 Meter an den Feind heran 
gelassen, der aber zäh und fest 
in seiner Verschärfung festhält 
und uns ein mörderisches Feuer 
entgegenhagelt. Unsere Schützen 
linie wird beängstigend dünner, 
einer nach dem anderen sinkt blu 
tend nieder und haucht sein braves 
Leben aus. Mit dem Oberstleutnant, dem Komman 
deur, liege ich im Hagel der Geschosse, 60 Meter zurück, 
zur Rot gedeckt; die Artillerie, unsere einzige Rettung, liegt 
1600 Meter zurück. Der Feind jagt immer neue Ver 
stärkungen in seine Schützenlinie, und immer dichter hageln 
die Geschosse. Hilfe tut dringend not; unser braves Ba 
taillon ist am Verbluten, und immer stärker drängt der 
Feind. Da fällt der Blick des Kommandeurs auf mich und 
mein gesundes Pferd. Er sagt mir nichts; aber ich ver 
stehe ihn ohne Worte. Ein kurzer Händedruck, ein kurzes 
Lebewohl, und durch ein ohrenzerreitzendes Granat- und 
Eewehrfeuer jage ich zurück, die ersehnte rettende Artillerie 
vorzureitzen ... Wie ich die Batterie erreichte, weitz ich 
nichts Mit Gottes Hilfe gelang es mir aber, unversehrt 
die Stellungen zu erreichen und drei Batterien nach vor 
wärts zu reitzen. Noch einmal in rasendem Tempo zurück 
durch dasselbe Feuer, und glücklich gelangte ich 51t meinem 
Bataillon. Mit donnerndem Gepolter raste unsere Artillerie 
heran, und nun ging's mit Hurra drauf los. Reihenweise 
fielen die Russen, zu Haufen lagen ihre Toten; scharen 
weise flüchteten sie auf unser Schrapnellfeuer aus ihren 
Verschanzungen, und kaum waren sie sichtbar, so knallten 
unsere Schützen sie nieder ... Rings brannten die Dörfer 
und herrlichen Güter. Blutigrot war der Himmel gefärbt. 
Dann erst deckte barmherzig das Dunkel der Nacht das 
grausige Schlachtfeld." 
Nun konnten die Ostpreußen endlich erleichtert ausatmen. 
Knapp und klar wie immer berichtete der Eeneralquartier- 
meister v. Stein am 13. September über die Sachlage 
wie folgt: „In Ostpreußen ist die Lage hervorragend gut. 
Die russische Armee flieht ,in vollster Auflösung^ Bisher 
hat sie mindestens 150 Geschütze und 20 600—30 000 un 
verwundete Gefangene verloren." 
Selbst die russische Heeresleitung konnte die Niederlage 
nicht beschönigen; daß aber zwei grotze Armeen geradezu 
vernichtet sind, wissen in Rußland nur wenige. 
Eroberung e 
der Schlacht 
Nach Berichten 
gezeichnet vvn 
Eroberung einer Fahne bei Zamosc. 
(Hierzu das Bild Seite 296/297.) 
Die Schlacht, die in dem großen Raum Zamosc— 
Tyszowcze vom 25. August bis 1. September tobte und 
über die wir eingehend bereits auf Seite 116 berichteten, 
war bis dahin eine der größten, die je auf dein Festlande 
Europas ausgefochten wurde. Es kennzeichnet den gegen 
wärtigen Weltkrieg, daß diese glänzende Waffentat, 
die mit dem vollständigen Sieg der Armee des Generals 
v. Auffenberg über die Russen endete, heute durch noch 
längere und blutigere Schlachten bereits in zweite Linie 
rückt. Sie wird aber für alle Zeiten ein Glanzpunkt unter den 
Heldentaten der österreichisch-ungarischen Heere bleiben. 
Scharen von Gefangenen, über 200 Geschütze und viele Ma 
schinengewehre fielen in die Hände der Sieger. Unter dem 
reichen erbeuteten Kriegsmaterial fanden sich auch mehrere 
russische Fahnen. Unser Bild zeigt die Eroberung einer 
267 
solchen. Ein blutiger Kampf ging 
diesem Triumph voraus. Die 
Russen verteidigten ihr militäri 
sches Heiligtum mit ungemeiner 
Tapferkeit. Aber ein unerwarteter 
Schrapnellschuß brachte furchtbare 
Verwirrung in ihre Reihen. Einige 
wendeten sich, um zu fliehen. 
Der Fähnrich hielt seine Zier 
hoch, aber schon hatte ein tapferer 
österreichischer Infanterist sich bis 
zu ihm durchgearbeitet und ver 
setzte ihm mit dem Gewehrkolben 
einen wuchtigen Schlag. Die 
Russen beginnen zu wanken. An 
der Spitze der Seinen stürmt der 
österreichische Hauptmann vor. 
Die Russen fliehen, ihre Fahne 
aber gelangt in den Besitz ihrer 
heldenhaften Verfolger. 
Fremdländische Hilfs 
völker unsrer Gegner. 
(Hierzu die Bilder Seite 291.) 
Es ist keine neue Erscheinung, 
daß die Feinde, gegen die wir 
um Ehre und Freiheit unseres 
Vaterlandes ringen, in ihren 
europäischen Kriegen auch Ein 
geborenentruppen aus ihren Ko 
lonien zur Hilfeleistung heran 
ziehen. Schon im Kriege von 
1870/71 knüpften die Franzosen 
an ihre aus Kabylen und Negern 
gebildeten Turkoregimenter " die 
größten Hoffnungen, die sich aber 
keineswegs erfüllten. Damals 
fehlte es nicht an englischen Stim 
men, die sich voll Entrüstung da- 
gegemwendeten, daß man „Wilde" 
gegen Europäer in den Kampf 
brachte. Aber schon 1877, als die 
Russen Konstantinopel bedrohten, 
holte der Brite selber indische 
Truppen nach dem Westen, ebenso 
1882 in den ägyptischen Unruhen, 
und im Jahre 1900 sogar gegen 
die für ihre Unabhängigkeit strei 
tenden Buren! 
Etwa drei Jahre dürfte es 
her sein, daß angesehene franzö 
sische Militärschriftsteller in ver 
schiedenen Blättern die Forderung 
aufstellten, das durch den Ge 
burtenrückgang in Frankreich dro 
hende zahlenmäßige Zurückbleiben 
der französischen Ärmee hinter der 
deutschen bei einem ausbrechenden 
europäischen Krieg durch Heran 
ziehen von Senegalschützen, also 
Negern, auszugleichen. Ein großer 
Teil gerade der liberalen englischen Presse wandte sich da 
mals wiederum entrüstet gegen solche „barbarische, menschen 
unwürdige" Pläne; lebten doch in jener Zeit viele in die 
politische Hexenküche von Sir Erey und Genossen nicht ein 
geweihte Engländer der Meinung, daß ein freundlicher 
Ausgleich mit Deutschland möglich sei, und fürchteten des 
halb, daß ihre eigenen Landsleute unter Umstünden gegen 
jene Neger kämpfen müßten. Jetzt aber, da es gegen den 
Deutschen geht, ist jede Hilfe recht, jeder europäische 
Rassenstolz dahin. Englische wie französische Zeitungen 
berichten in einem wahren Freudenrausch immer wieder von 
den wunderbaren Eigenschaften dieser — übrigens vielfach 
sehr gegen ihren Willen herbeigeholten — Hilfstruppen, 
seien es nun indische Gurkha, Sikh, Afridi und Pathan oder 
afrikanische Neger, Madegassen, Berber und Neger, deren 
Gesamtheit der nicht im mindesten durch sie eingeschüch 
terte deutsche Soldatenhumor kurzweg „Hagenbecks Völker 
schau" benannt hat.
	        
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