Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Foto: Vereenigde Jotobureaux, Amsterdam. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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vorgehaltenem Revolver bei einem Einwohner über den 
Weg nach Lille. Gleich darauf fand der Korrespondent 
zwanzig deutsche Radfahrer vor der Kathedrale stehen und 
an der Brücke über den Kanal mehrere abgesessene Ulanen 
posten. Während er sich diese nun in Mutze betrachtete, 
nahten, so erzählt er, plötzlich ungeheure Reitermassen. 
Zuerst Ulanen, auf jungen, kräftigen Pferden, dann, wie es 
schien, die Totenkopfhusaren. Sie würdigten die Volksmenge 
in den Stratzen keines Blickes — und immer neue Schwa 
dronen rückten heran. Dann folgten bayrische Chevaulegers, 
endlich, die „Wacht am Rhein" singend, Infanterie. Ihre 
Haltung und die sichere Ruhe ihres rhythmischen Schrittes 
gefielen ihm autzerordentlich. Er vermutet, datz er ein ganzes 
Armeekorps beobachtet habe, das, von Mons kommend, 
nach Lille vorging, und datz er Zeuge eines Vorstotzes von 
größter Bedeutung geworden sei. Er beschloß nun, in der 
deutschen Linie zu bleiben, und rühmt dann in einer zweiten 
Mitteilung das musterhafte Benehmen der deutschen Sol 
daten, die man in Frankreich und sonst im Auslande als 
Barbaren zu bezeichnen beliebe. 
Der Italiener hat offenbar die Truppen gesehen, deren 
Kavallerie wenige Tage später westlich Lille und bei Haze- 
brouck auf französische Reiterei stieß, und so gründlich 
mit ihr aufräumte. Es war jedenfalls wieder einmal eine 
schneidige deutsche Reitertat, die dem Feinde sehr herbe 
Verluste beifügte. Besteht doch die französische Division 
aus drei Kavalleriebrigaden zu je zwei Regimentern, jedes 
zu vier Eskadronen gerechnet. Jeder Kavalleriebrigade ist 
eine Maschinengewehrkompanie zugeteilt, außerdem eine 
berittene Telegraphen-, eine Sappeur- und eine Rad 
fahrerabteilung, ungerechnet die Ambulanz. Es sind 
also die Träger von fast 9000 Säbeln, die unsere schneidigen 
Reiter westlich Lille und Hazebrouck in offenbarer Be 
gegnungsschlacht mit stürmischer Wucht in die Pfanne ge 
hauen haben. 
Die Schlacht bei Wehlau—Allenburg— 
Nordenburg—Angerburg. 
(Hierzu das Bild Seite 282^889.) 
Die von General v. Rennenkampf geführte russische 
Wilna- oder Njemenarmee war in der Richtung des Pregels 
über Gumbinnen und Insterburg vorgedrungen, überall 
Schrecken verbreitend. „Die Menschen flogen vor ihr her, 
wie wenn der Wolf die Herde scheucht," könnte man in 
Anlehnung an das Dichterwort sagen. Diese zweite russische 
(Wilna-)Armee hatte Tapiau erreicht und beschossen, wo 
bei am meisten die Umgebung des Marktes litt. Nicht 
einmal die Besserungs- lind Landespflegeanstalt mit nmb 
590 Kranken ward verschont. Die auf dem Turme der 
Anstalt wehenden Fahnen des Roten Kreuzes dienten den 
Russen vielmehr als — Zielscheibe. Elf Kranke wurden 
bei der Beschießung getötet, mehrere verletzt. 
Die Hauptmasse der Russen stand zwischen Wehlau— 
Allenburg—Gerdauen—Nordenburg—Angerburg. Diese 
Linie wurde unter geschickter Benutzung der Bodenverhält 
nisse und der natürlichen Hilfsmittei zur Verteidigung 
eingerichtet; Rennenkampf hatte also offenbar nicht die Ab 
sicht zu weiterem Vordringen. Seine Stellring aber wollte 
er mit Macht halten, was aus den herbeigebrachten schweren 
Belagerungsgeschützen hervorgeht, die zur Belagerung 
preußischer Festungen bestimmt waren. Sehr deutlich ist 
durch die bezeichnete, etwa 60 Kilometer lange Luftlinie 
die Aufmarschrichtung des Feindes gegeben. 
Aber die Operationen des deutschen Angriffsheeres 
gibt der Bericht des stellvertretenden Generalkommandos 
des 17. Armeekorps in der Zeit von Mitte August bis Mitte 
September 1914 ein übersichtliches Bild. Danach ging 
das Korps nach kurzer Ruhe und der Munition 
am 4. September wieder in nordöstlicher Richtung vor, um 
im Verein mit anderen Kräften durch die Engen der 
Masurischen Seen den linken Flügel der inzwischen er 
heblich verstärkten rujsischen Njemenarmee anzugreifen. 
Die starken Stellungen, die der Feind zum Schutze seines 
schon eingeleiteten Rückzuges an den Seenengen nord 
östlich Lötzen mit großem Geschick tagelang ausgebaut hatte, 
wurden am 8. und 9. September nach wirksamer Beschießung 
durch Feld- und schwere Artillerie im Sturm genommen. 
Der Feind ging überall nach hartnäckiger Verteidigung 
zurück. In einem dieser Gefechte nahm die erste Kompanie 
des Danziger Infanterieregiments Nr. 128 eine russische 
Batterie im Sturm. 
In der weiteren Verfolgung brach das 17. Armeekorps 
auch am 10., 11. und 12. September den Widerstand des 
Feindes überall, wo dieser seinen Rückzug noch in verstärkten 
Stellungen zu decken suchte. Hierbei kam es wiederholt 
zu nächtlichen Bajonettkämpfen. 
Bei allen diesen Kämpfen waren Truppen von der Süd- 
grenze bei Soldau, aus Königsberg und aus anderen Orten 
zusammengezogen worden. Die Südgrenze hatte nur die 
notwendigsten Kräfte behalten, um einem etwaigen neuen 
Vordringen des Feindes von Mlawa her zu begegnen. 
Unsere Heeresleitung ging am 10. September zwischen 
Nordenburg und Angerburg gegen die russische Haupt- 
Deutslhe Vorposten tränken ihre Pferde in St. Amand.
	        
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