Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Der Brandes Bergwerks 
bÄevin. 
Nach einerImalzeichnung von 
ProfeffEion Ho'ffmann. 
liegenden bulgarischen Städte. Obwohl die Serben an 
nehmen tonnten, daß die Familien der eigentlichen Em 
pörer das Land verlassen hatten, gingen sie gegen die zurück 
gebliebenen Türken und Bulgaren mit gewohnter Härte 
vor und setzten ihre Schreckensherrschaft mit ungeschwächter 
Rücksichtslosigkeit fort. Was das bedeutet, davon gibt eine 
Zusammenstellung der „Agence Bulgare" vom 6. Mai 
einen ungefähren Begriff. Danach waren im Gebiete 
Malisch in den vorhergegangenen drei Monaten 93 Per 
sonen getötet, 160 ins Gefängnis geworfen, 360 körperlich 
gezüchtigt, 230 Frauen geschändet worden. Im Gebiete 
Kotschana stellte der Berichterstatter in derselben Zeit 7 Hin 
gerichtete, 135 vergewaltigte Frauen, 420 Gezüchtigte, von 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Jammerzustände der serbischen Stadt Nisch, des gegen 
wärtigen Sitzes der Regierung, unter der Überschrift: „Die 
Stadt der schwarzen Fahnen" brachte. Er nennt Risch die 
Stadt des Typhus, in der man am meisten starb und noch 
stirbt. Aus den Häusern zu beiden Seiten der Hauptstraßen 
und aller Nebenstraßen hängen Tausende schwarzer Fahnen als 
Zeichen der Trauer über Todesfälle. Zweihundert Todesfälle 
täglich waren zu einer bestimmten Zeit die Regel in Nisch. Bon 
300 serbischen Ärzten sind 120 in den Lazaretten, in denen sich 
nach Landers eigenen Worten wahre Höllenszenen abspielten, 
Opfer ihres Berufes geworden. 
Wenn man die Schilderungen über 
die gesundheitlichen Zustände in dem 
völlig verseuchten Serbien liest, kann 
man sich des Eindrucks nicht erwehren, 
daß Österreich-Ungarn sehr gut tut, 
sich fernzuhalten, weil peinlichste 
Sorgfalt wohl kaum verhüten könnte, 
daß die verhängnisvollen Seuchen 
auch die österreichisch - ungarischen 
Soldaten heimsuchten. Niederlagen 
des Feldheeres und Seuchen sind es 
aber nicht allein, was Serbien zu 
setzt. Die Bewohner des Landes 
dürfen sich in ihren eigenen Grenzen 
nicht mehr sicher fühlen. Die bar 
barische Grausamkeit, mit der sie in 
Neuserbien, den im Balkankriege an 
gegliederten Gebieten, gegen Bul 
garen und Türken auftraten, rief dort 
einen Aufstand hervor, der am Kar 
freitag, dem 2. April, in Walandowo 
zum Ausbruch kam und viele Blut 
opfer forderte. Zunächst waren die 
Aufständischen völlig Herren der Lage. 
Sie überfielen die rund 400 Mann 
starke serbische Grenzwache und mach 
ten sie in erbittertem Handgemenge, 
soweit sie ihrer habhaft werden konn 
ten, nieder. Nach wenigen Stunden 
lagen in den Straßen Walandowos 
mehr als 250 Leichen serbischer Sol 
daten. Die Aufständischen hatten 
etwa 20 Tote und 30—40 Verwun 
dete. Die Serben brachten nun auf 
einem Hügel zwei Geschütze gegen 
die Aufständischen ins Feuer, aber 
diese scheuten keine Opfer, ihr wüten 
der Sturmangriff gelang, sie bemäch 
tigten sich sogar der Geschütze und be 
schossen die Serben, die sich auf den 
Bahnhof Mirowce (westlich Walan 
dowo) zurückgezogen hatten. An einem 
Tage ward so nicht nur Walandowo, 
sondern das ganze Grenzgebiet von 
den serbischen Peinigern gesäubert.. 
Die siegreichen Bulgaren und Türken 
waren bemüht, den serbischen Behör 
den zu beweisen, daß ihr Kampf nur 
eine Verzweiflungstat gegen die grau 
same Willkürherrschaft gewesen sei. 
Sie schickten eine Abordnung zu dem 
serbischen Bürgermeister und den 
serbischen Gemeinderäten, die ihre 
gute Gesinnung zum Ausdruck brachte 
und betonte, daß man fortan in Frie 
den und Freundschaft mit den übrigen 
Bewohnern Serbisch-Mazedoniens leben wolle. Unterdes 
waren die Aufständischen im Gefecht mit dem Rest der 
serbischen Grenzwachen, den sie noch weiter westlich an 
den Wardar zurückgedrängt hatten. Während sie mit den 
serbischen Soldaten hartnäckig um den Übergang über 
den Fluß kämpften, erhielten diese mit schnell herbei 
eilenden Zügen Verstärkung über Verstärkung. Geschütze 
wurden in Stellung gebracht und die Aufständischen 
auf dem linken Wardarufer hartnäckig beschossen. 'Der 
Übermacht und der Überlegenheit der Waffen sahen sie 
sich schließlich nicht mehr gewachsen, und da sie von ihren 
Feinden alles andere als Verständnis für ihren Ver 
zweiflungskampf, Gerechtigkeit und Gnade zu erwarten 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
hatten, flohen sie mit Weib und Kind über die Grenze nach 
Bulgarisch-Mazedonien und machten die ihnen hier ent 
gegentretenden serbischen Grenzwachen nieder. Der Strom 
der Flüchtlinge wuchs so stark an, daß bald an der ganzen 
Grenzlinie die Wachthäuser der Serben in Flammen 
aufgingen. Mit Mühe gelang es den eingreifenden bul 
garischen Grenzwachen, der Wut der bis ins Innerste 
empörten Flüchtlinge Einhalt zu tun. In wenigen Stunden 
kamen 2600 Familien, über 12 400 Menschen, aus 21 Orten 
über die Grenze und zerstreuten sich auf die in der Nähe 
denen rund 20 an der grausamen Behandlung starben, und 
542 eingekerkerte Personen fest. Im Gebiete Nadowitsch 
gab es 85 Getötete, mehr als 200 Geprügelte, von denen 
12 ihr Leben unter den Mißhandlungen aushauchten. 
Die Sofioter Presse erzählte alle diese Scheußlichkeiten 
unter Anführung vieler Einzelheiten und veröffentlichte 
auch den größten Teil der Namen der Opfer. Serbien 
wird von einer Mörderdynastie regiert und ist nach allem, 
was über die Vorgänge in Serbisch-Mazedonien bekannt ge 
worden ist, das klassische Land unmenschlicher Ruchlosigkeit. 
Der dringliche Ruf Bulgariens nach Einsetzung einer euro 
päischen Kommission, die den serbischen Greueln ein Ziel 
setze, wird in nicht zu ferner Zukunft in irgendeiner Weise 
Gehör finden. Kein Land der Erde verdient so sehr wie 
Serbien unter Aufsicht gestellt zu werden. 
Der Dreiverband mag gedacht haben, daß Serbien in 
seiner Hand ein gefügiges Werkzeug sein und die serbische 
Regierung es beim papierenen Widerspruch gegen die 
Ansprüche Italiens und die Versprechungen, die man diesem 
neuen liebwerten Bundesgenossen gemacht hatte, bewenden 
lassen werde. Diese Erwartung lag um so näher, als Ser 
bien für die Übernahme der gesamten Kriegskosten im Be 
trage von angeblich 360 Millionen Franken durch Frank 
reich und England und dazu noch für die englische und 
französische Waffenhilfe zum Dank verpflichtet war. Aber * 
der kleine Bundesbruder Serbien samt seinem noch kleineren 
Freunde Montenegro benahm sich rücksichtslos und ungebär 
dig. Die Besetzung Valonas durch Italien und seine An 
sprüche auf südslawisches Gebiet beantworteten Serbien und 
Montenegro nachträglich, als Italien seine Neutralität auf 
gegeben hatte und gegen seinen früheren Bundesgenossen 
den Krieg eröffnete, mit der Besetzung albanischen Gebietes. 
Besonders die Serben fürchteten, daß Italien ihnen die 
Gewinnung des ersehnten Ausganges 
nach der Ädria wehren könne, und 
wollten allen Möglichkeiten durch 
Besetzung der von ihnen begehr 
ten Gebiete zuvorkommen. Unter 
Kämpfen mit den durch dieses Ver 
fahren erbitterten albanischen Stäm 
men erreichten die Serben zur größten 
Beunruhigung Italiens, das immer 
mehr Verstärkungen nach Valona 
werfen mußte, um sich der Angriffe 
der entrüsteten Bevölkerung zu erweh 
ren, Durazzo und wandten sich bald 
auch gegen Skutari (s. Bilder S. 83). 
Dabei gerieten sie mitihrenRaubgenos- 
sen, den Montenegrinern, in Streit, 
weil Nikita mit d ers elben B eg ehrlichkeit 
wie Serbien den Blick auf Nordalba 
nien gerichtet hatte. Die Gegensätze 
verschärften sich so, daß es zu blutigen 
Zusammenstößen zwischen diesen Ver 
bündeten gekommen ist. Im Hin 
blick auf die gemeinsamen Interessen 
einigten sie sich indessen wieder. Am 
25. Juni erklärte Serbien die Besitz 
nahme eines Stückes von Albanien 
und besetzte auch den albanischen 
Hafen San Giovanni di Medua. Die 
Montenegriner setzten sich am 27. Juni 
indem so lange heiß ersehnten Skutari 
fest. In Italien rief das um so 
größere Unruhe hervor, als auch 
Griechenland albanische Grenzgebiete 
an sich riß. Die dringlichen italie 
nischen Vorstellungen wegen dieser 
Maßnahmen Serbiens beantwortete 
Paschitsch mit dem Hinweis darauf, 
daß Serbien ein freies, unabhängiges 
Albanien wünsche, mit dem es in 
Freundschaft leben könne, daß Ser 
bien aber keinesfalls zusehen dürfe, 
wie eine andere Macht die albanische 
Frage durch Annexion zu lösen ver 
suche. Italien habe sich durch die 
Besetzung Valonas die Herrschaft in 
der Adria gesichert und könne des 
halb, zumal Serbien dagegen keinen 
Einspruch erhoben habe, die Wah 
rung berechtigter serbischer Interessen 
nicht als Streitfall betrachten. Ge 
legentlich dieser Erklärungen, die 
Paschitsch einem Sonderberichterstat 
ter des Pariser „Petit Journal" ge 
macht hat, sprach er auch über eine 
neue serbische Angriffsbewegung. Sie 
soll in dem Augenblick beginnen, den 
die großen Hauptquartiere der Ver 
bündeten dafür festsetzen. Das von Bulgarien verbreitete 
Gerücht, daß zwischen Serbien und Österreich-Ungarn ein 
Eeheimvertrag zustande gekommen sei, auf Grund dessen 
Serbien zur Besetzung Albaniens geschritten sei, wies Pa 
schitsch übrigens als gegenstandslos zurück. Daß Paschitsch 
um „Gründe" nie verlegen ist, zeigt unter anderem die von 
ihm geäußerte sonderbare Befürchtung, daß Albanien sich 
mit Überfallsabsichten auf Serbien getragen habe. Aller 
dings haben sich die Albanesen endlich zu einem heftigen 
Widerstand gegen die serbischen Eindringlinge aufgerafft: 
Nachrichten aus Athen zufolge sollen sie ihnen Mitte Juli 
bei Tirana eine größere Schlacht geliefert haben, in der 
die Serben angeblich 2000 Tote gehabt haben. Aus Rache
	        
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