Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Die Bismarckzeit 
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habe doch endgültig die Gefahr der Koalition des Siebenjährigen 
Krieges, die Bismarck so sehr fürchtete, beseitigt. An die Stelle des 
nebelhaften und unsicheren Drei-Kaiser-Bündnisses sei ein wesent 
lich klarerer und zuverlässigerer Zustand getreten. „Unverkennbar 
ist freilich auch, daß das neue System Gefahren in sich barg, und 
zwar in doppelter Richtung: es konnte daraus eine unlösbare Ver 
quickung der Politik des gesunden Deutschland mit der des kranken 
Österreich werden, und der streng defensive Charakter des Bundes 
konnte einen allzu einseitig quietistischen Zug in die deutsche aus 
wärtige Politik bringen .. . Allein diese Gefahren, damals noch 
keineswegs akut, konnten auch für die Dauer von einer klugen 
Leitung vermieden werden.“ 
Am schärfsten urteilt Felix Rachfahl 1 : „Die Option Bis 
marcks in der Balkankrise der siebziger Jahre und das daraus her 
vorgegangene deutsch-österreichische Bündnis von 1879 bedeuteten, 
in den universalgeschichtlichen Zusammenhang gerückt, grundsätz 
lich das Ende der russisch-preußischen Freundschaft, wie sie bis 
dahin länger als zwei Menschenalter seit dem Anfänge des 19. Jahr 
hunderts bestanden hatte. Die deutsche Politik hatte damit einen 
Weg betreten, der, wenngleich mit manchen Bindungen, Seiten 
biegungen, sogar anscheinend mitunter rückläufigen Kurven, doch 
mit eherner Konsequenz zu dem Ziele hinführte, als welches sich 
dem Auge des rückwärts gewandten Beschauers der Ausbruch des 
Weltkrieges im Sommer 1914 darstellt .. . Immer wieder hat 
Deutschland, wenn es darauf ankam, schützend seine Hand über 
Österreich-Ungarn gehalten und die Balkanpolitik seines Alliierten 
gedeckt, die Rußlands dagegen gehemmt, gekreuzt und zu Fall 
gebracht. Das ist die wahre Wurzel des Weltkrieges, insonderheit, 
was den unmittelbaren Anlaß zu seinem Ausbruche anbelangt ... 
So hat Bismarck durch den Abschluß des Zweibundes eine Ent 
wicklung zum Abschlüsse gebracht und eine Situation geschaffen, 
die zu meistern, solange er selbst die Schicksale des Deutsche^ 
Reiches leitete, wenngleich mühsam, ihm noch gelang, und die, aus 
der wirklichen oder vorgestellten Not der Zeitumstände entsprungen, 
für eine lange Spanne als eine glückliche Lösung eines weltbewe 
genden politischen Problems empfunden wurde, deren letzte Aus 
wirkungen jedoch beim Wechsel der Personen und der Dinge die 
schwerste Katastrophe über die beteiligten Staaten heraufbeschwören 
und ganz Europa, ja sogar die gesamte Welt ergreifen und in Mit 
leidenschaft ziehen sollten.“ 
Höchst wahrscheinlich hat Bismarck damals die Gefahren eines 
russischen Angriffs zur Erreichung seines Zieles etwas stärker 
hervortreten lassen, als er sie selbst einschätzte. Bis zu einem ge 
1 „Deutschland und die Weltpolitik 1871—1914.“ Band I „Die Bismarcksche 
Ära“. Stuttgart 1923. E. H. Moritz, S. 306/307.
	        
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