Die Bismarckzeit 68 habe doch endgültig die Gefahr der Koalition des Siebenjährigen Krieges, die Bismarck so sehr fürchtete, beseitigt. An die Stelle des nebelhaften und unsicheren Drei-Kaiser-Bündnisses sei ein wesent lich klarerer und zuverlässigerer Zustand getreten. „Unverkennbar ist freilich auch, daß das neue System Gefahren in sich barg, und zwar in doppelter Richtung: es konnte daraus eine unlösbare Ver quickung der Politik des gesunden Deutschland mit der des kranken Österreich werden, und der streng defensive Charakter des Bundes konnte einen allzu einseitig quietistischen Zug in die deutsche aus wärtige Politik bringen .. . Allein diese Gefahren, damals noch keineswegs akut, konnten auch für die Dauer von einer klugen Leitung vermieden werden.“ Am schärfsten urteilt Felix Rachfahl 1 : „Die Option Bis marcks in der Balkankrise der siebziger Jahre und das daraus her vorgegangene deutsch-österreichische Bündnis von 1879 bedeuteten, in den universalgeschichtlichen Zusammenhang gerückt, grundsätz lich das Ende der russisch-preußischen Freundschaft, wie sie bis dahin länger als zwei Menschenalter seit dem Anfänge des 19. Jahr hunderts bestanden hatte. Die deutsche Politik hatte damit einen Weg betreten, der, wenngleich mit manchen Bindungen, Seiten biegungen, sogar anscheinend mitunter rückläufigen Kurven, doch mit eherner Konsequenz zu dem Ziele hinführte, als welches sich dem Auge des rückwärts gewandten Beschauers der Ausbruch des Weltkrieges im Sommer 1914 darstellt .. . Immer wieder hat Deutschland, wenn es darauf ankam, schützend seine Hand über Österreich-Ungarn gehalten und die Balkanpolitik seines Alliierten gedeckt, die Rußlands dagegen gehemmt, gekreuzt und zu Fall gebracht. Das ist die wahre Wurzel des Weltkrieges, insonderheit, was den unmittelbaren Anlaß zu seinem Ausbruche anbelangt ... So hat Bismarck durch den Abschluß des Zweibundes eine Ent wicklung zum Abschlüsse gebracht und eine Situation geschaffen, die zu meistern, solange er selbst die Schicksale des Deutsche^ Reiches leitete, wenngleich mühsam, ihm noch gelang, und die, aus der wirklichen oder vorgestellten Not der Zeitumstände entsprungen, für eine lange Spanne als eine glückliche Lösung eines weltbewe genden politischen Problems empfunden wurde, deren letzte Aus wirkungen jedoch beim Wechsel der Personen und der Dinge die schwerste Katastrophe über die beteiligten Staaten heraufbeschwören und ganz Europa, ja sogar die gesamte Welt ergreifen und in Mit leidenschaft ziehen sollten.“ Höchst wahrscheinlich hat Bismarck damals die Gefahren eines russischen Angriffs zur Erreichung seines Zieles etwas stärker hervortreten lassen, als er sie selbst einschätzte. Bis zu einem ge 1 „Deutschland und die Weltpolitik 1871—1914.“ Band I „Die Bismarcksche Ära“. Stuttgart 1923. E. H. Moritz, S. 306/307.