Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
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ein wahrhaft verzweifeltes Mittel — die Unterstützung Österreich- 
Ungarns in seiner Balkanpolitik, da man den letzten zuverlässigen 
Dreibundgenossen nicht verlieren, ihn nicht bündnisunfähig werden 
lassen wollte und ihn aus diesem Grunde in weitem Maße unter 
stützen zu müssen für nötig hielt. 
Für die Jahre 1902 bis zur Krisis des Weltkrieges kommt es 
für unsere Zwecke darauf an, einen historisch möglichst klar an 
geordneten Überblick im Anschlüsse an das große Aktenwerk des 
Auswärtigen Amtes, aber unter Abweichung von seiner inneren An 
ordnung und unter Einbeziehung der diplomatischen Aktenstücke aus 
anderen Lagern, zu gewinnen. Dadurch soll zugleich zum Ausdruck 
kommen, daß der deutschen Außenpolitik von 1902 bis 1914, da ihr 
die bestimmenden Merkmale eigener Initiative fehlen und fast alles 
nur Ab- und Gegenwehr ist, eine wesentlich geringere Bedeutung 
zukommt als in den früheren Jahrzehnten. 
Das Jahr 1902 
Folgerichtig und energisch ging England, nachdem ein näherer 
Anschluß an Deutschland nicht gelungen war, darauf aus, seine 
Gegensätzlichkeiten zu den anderen Mächten eine nach der anderen 
zu begleichen. Am 1. Februar 1902 ließ in London Lord Lansdowne 
den deutschen Botschafter Grafen Metternich wissen, daß ein ge 
heimer Vertrag zwischen der englischen und der japanischen Regie 
rung über Korea abgeschlossen sei. Beide Mächte erkannten sich 
gegenseitig das Recht zu, in Wahrung ihrer Interessen gegen fremde 
Angriffe oder innere Unruhen dort alle erforderlichen Maßnahmen 
zu treffen. Wurde bei Wahrung dieser Interessen eine der beiden 
Mächte in Krieg verwickelt, so sollte die andere neutral bleiben. 
Falls eine zweite fremde Macht dem Kriege gegen den einen Ver 
bündeten beitrat, so sollte ihm der andere zu Hilfe kommen und 
gemeinsam Krieg führen und Frieden schließen 1 . 
Nach der Ansicht des Reichskanzlers Grafen Bülow wurde durch 
dieses Abkommen Deutschland nicht berührt, das an Korea kein be 
sonderes Interesse habe und im Falle eines wegen dieser Halbinsel 
von Japan unternommenen Krieges ihm gegenüber eine korrekte, 
aber wohlwollende Neutralität beobachten werde. Nach Bülows 
Ansicht bestand auf englischer Seite ein Hauptmotiv zu diesem 
Vertrage in der Hoffnung, „mit diesem Vertrage in der Hand 
vielleicht doch noch endlich Rußland zu der bisher immer ver 
geblich angestrebten Verständigung mit England zu bewegen 1 2 /'. 
Bülow wünschte daher, den neuen Vertrag allen dritten Mäch 
ten, auch Rußland gegenüber, gänzlich zu ignorieren, zumal man 
1 Gr. Pol. Nr. 5043. (Siehe o. S. 186.) 
2 Gr. Pol. Nr. 5044.
	        
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