Volltext: Österreichischer Volkskalender 1948 (1948)

IIS 
„Machst einem nur das Maul wäßrig und — ach, hol dich der Teufel!" 
Michel drehte sich wütend auf die andere Seite. 
„Aha", lachte der Veit, „jetzt versteh ich dich. Aber ich möcht die Knödel - 
auch, und darum werden wir sie uns verschaffen." 
„Hallo!" 
Michel hatte sich mit einem Ruck aufgerichtet und saß nun gespannt und 
erwartungsvoll auf der Bettstelle. 
„Wie willst das machen?" 
„übermorgen ist ja der unsinnige Donnerstag." 
Dem Michel giW langsam ein Licht auf. 
„Willst sie stehlen?" 
„Natürlich." 
Der Michel schüttelte wehmütig den Kopf. 
„Beim Bäck geht's nicht; da ist immer wer in der Küche." 
„Weiß schon, aber das nuftht nichts. Mein Plan ist fertig, die Knödel 
werden in unserer Hütte gegeffen." 
„Da wäre ich neugierig." 
„Alsdann, Achtung! Um halb zwölf sind der Bäck und die Gesellen noch in 
der Backstube, die Bäckin im Laden und die Rest in der Küche. Da gehst du in 
den Laden, kaufst ein Brot und erzählst der Bäckin, dieser alten Klatschbase, 
eine Riesenmordsgeschichte. Derweil renn ich in die Küche hinauf, richte der 
Rest einen schönen Gruß von ihrem Schatz, dem Hintertupfer Naz aus, der an 
der Hausecke unten stehe und sie gern für einen Augenblick sprechen möchte. 
Wirst sehen, wie die verliebte Gans rennt. Ich aber packe die Knödel, hinunter 
über die Hinterstiege, hinaus zum Hof, und wenn die Rest anfangt zu schreien, 
machst dich davon, so schnell du kannst." 
Der Michel strahlte übers ganze Gesicht; dabei lief ihm das helle Wasser in 
beiden Mundwinkeln zusammen. 
Während die beiden noch in den zu erwartenden Hochgenüssen schwelgten 
und sich gegenseitig die Güte und Größe der Bäckischen Knödel vorphantasterten, 
entfernte sich draußen mit lautlosen Schritten der Bockmüller Sepp, der, vom 
Geschrei des Veit angelockt, den ganzen Feldzugsplan gegen die Bäckischen Knö 
del mitangehört hatte. Nun rieb er sich vergnügt die Hände: endlich kam die 
Gelegenheit, dem Veit die Prügel von der letzten Kirchweih heimzuzahlen. 
Schnurstracks lief er zum Bäcker und erzählte ihm die Geschichte brühwarm. 
Dabei gab er ihm den Rat, mit den beiden Gesellen den frechen Knödeldieben 
aufzupassen und sie windelweich zu prügeln. Der Bäcker schenkte dem Sepp ein 
Gläsle Schnaps und einen frischgebackenen Laib Brot und versicherte ihm, daß 
der Veit und der Michel in seinem Hause kein zweitesmal Knödel stehlen 
würden. 
Der unsinnige Donnerstag war angebrochen. Genau um halb zwölf betrat 
der Rohrmoser Michel den Bäckerladen, kaufte einen Wecken Roggenbrot und 
begann, während er umständlich das Geld aus seiner Hosentasche klaubte, der 
dicken Bäckin zu erzählen, was er neulich in dunkler, verschwiegeu.r Nacht aus 
reinem Zufall entdeckt habe. Scheinbar mit größter Teilnahme hörte ihm die 
Frau zu und unterbrach ihn mit keinem Worte. 
Inzwischen hatte sich der Knochenhammer Veit durch die Haustüre in den 
Flur geschlichen, war mit drei Sätzen über die Stiege hinaufgesprungen und
	        
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