Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

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sich gerne um Katherl angenommen, aber 
der Vater ließ sie nicht von der Seite. Er 
hielt ihre Hand in der seinen und drückte 
dieselbe so fest, dass sie rothe Striemen be 
kam. Es war gleichsam, als wollte sich der 
starke Mann daran halten. 
Die Wohnungsaufsage hörte Grubhofer 
sehr ruhig an und bemerkte darauf, dass 
er ohnehin im Sinne gehabt hatte, nicht 
mehr länger als acht Tage zu bleiben. Er 
habe bereits mit seinem Vetter gesprochen, 
der oben auf dem Blümelsberge ein Häuschen 
besitze, zu dem wolle er ziehen und so lange 
bei ihm bleiben, bis er eine Stelle als 
Eisenbahnwächter, die ihm bestimmt zugesagt 
sei, antreten könne. 
Die Woche vergieng sehr still; Grubhofer 
half einem Bauern die Heuernte besorgen 
und kehrte jeden Abend erst spät zurück. 
Nur am Sonntag blieb er zu Hause und 
kramte die. geringwertige Habe in eine 
Truhe zusammen, welche sammt den wenigen 
Möbelstücken der Vetter am nächsten Tage 
mit einem Ochsengespann abholen wollte. 
Während des nachmittägigen Gottes 
dienstes, den Katherl als braves Schulkind 
stets zu besuchen pflegte, ließ Fräulein 
Regine den Grubhofer zu sich in ihr Zimmer 
bitten. Auch Frau Heider mit ihrer Schwester 
saß breit auf dem Sofa drinnen, und dem 
Manne ward ein Stuhl angeboten. 
Regine begann jetzt davon zu sprechen, 
wie lieb sie Katherl gewonnen habe, und 
nachdem er, der Vater doch jetzt als allein 
stehender Mann, der auswärts arbeiten 
müsse, nicht gut für das Kind sorgen könne, 
so sei sie fest entschlossen, dasselbe ganz bei 
sich zu behalten und es wie ihr eigenes 
erziehen zu lassen. 
Grubhofer starrte die Sprecherin mit 
offenem Munde und seltsam funkelnden 
Augen an, und als er klar begriff, um 
was es sich handle, fuhr er heftig auf: 
„Mein Kind wollen Sie stehlen? — * 
Frau Heider, welche wusste, dass ihr 
Neffe mit den starken Fäusten im Neben 
zimmer sitze, sagte in strengem Tonne: 
„Gemach, Grubhofer, gemach; so spricht 
man nicht mit jemand, der einem Gutes 
thun will, sondern schaut im Gegentheil 
weit eher zum Bitten." 
„Was! Das heißt Gutes thun, wenn 
sie mir das Kind wegnehmen will! — Und 
bitten soll ich auch noch darum!" sagte 
der Mann mit bebender Stimme. 
Frau Heider wuchs der Muth, dem 
alten Sünder einmal gehörig die Wahrheit 
zu sagen, und sie sprach wieder mit er 
hobener Stimme: 
„Ja freilich, Grubhofer, sollst Du bitten 
mit gefalteten Händen und danken mit ge 
beugten Knien, wenn das Fräulein Deine 
Katherl annehmen will. Du bist ja gar 
kein Vater, der ein so liebes, herziges 
Mädchen verdient, und es ist fürwahr ein 
helles Wunder zu nennen, dass sein Gemüth 
noch so unverdorben und lauter blieb, 
denn was musste das arme Ding von 
Dir und Deinem Weibe, Gott habe sie selig, 
Tag für Tag für hässliche und zänkische 
Reden hören? Und wie arm und elend hast 
Du Katherl gehalten; in Fetzen steckte es 
von oben bis unten, wenn sich nicht immer 
wieder andere Leute erbarmten. Es hat 
Dich gar nicht gekümmert, dass Weib und 
Kind betteln giengen, um sich vor Hunger 
und Kälte zu retten, während Du Deinen 
Lohn in die nächstbeste Schnapsschenke trugst. 
Na, Grubhofer, was sagst Du darauf? — 
Ist das etwa alles nicht wahr? Und säumst 
Du jetzt noch länger zu bitten, nachdem 
das gütige Fräulein Deinem Kinde den 
Himmel schon auf Erden vermeint? Du 
bereitest ihm doch nur diesseits und jenseits 
die Hölle." 
Der Mann stand da, wie zur Säule 
erstarrt. Fräulein Regine erwartete mit 
Spannung den Ausgang der Sache und 
meinte dabei, ein solcher Anwalt wie die 
sprachgewandte Frau Heider würde gewiss 
ihr zu dem erwünschten Ziele verhelfen, 
und auch die Schwester versäumte ja nicht, 
manches kräftige Wort, wohlgezielt, dazwischen 
zu werfen. 
Auf der Stiege trippelten jetzt Kinder 
füße herauf. Da kam Leben in Grubhofers 
Gestalt, und er gieng mit hastigem Schritte 
auf das Fräulein zu: 
„Verdammtes, giftiges Weibsvolk da 
miteinander," zischte er zwischen den Zähnen 
hervor, „Sie Fräulein, Sie fragen das 
Kind, ob es mitgehen will." 
7*
	        
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