Volltext: Schreib das auf, Kisch!

schaute, ob ich meine Hand noch besitze, aber nicht einmal ein 
Blutfleck war zu sehen. Da mich jedoch der Schlag schmerzte, 
blickte ich mißtrauisch längere Zeit auf die Hand, und wirklich 
begann sie nun zu bluten. Also doch ein Schuß. Nichts Gefähr¬ 
liches. 
Gleich nachdem ich den Schlag erhalten, hatte ich nach der 
öltlasche in meiner rechten Tasche gegriffen. Das war durchaus 
keine heroische Geste. Während meines Balancierens und 
Hastens auf den kotigen, unwegsamen Wegen war mir die Be¬ 
sorgnis nicht aus dem Kopf gekommen, daß ich hinfallen und 
die Flaschen zerschlagen könne, was sehr mißlich gewesen wäre. 
Hätte mir der Oberstleutnant geglaubt, daß ausgerechnet ein 
Schuß die Flasche zertrümmert habe? Zum Glück war sie un¬ 
versehrt, nur der Korkstöpsel war herausgesprungen. 
Beim Regimentskommando übergab ich die Empfangsbestäti¬ 
gungen über die beiden abgegebenen Meldungen und die zwei 
Flaschen, zu deren Kustos ich taxfrei ernannt wurde. Dann ging 
ich zur 5. Kompagnie, welche jetzt in Reserve neben uns liegt, 
und ließ mich von der Sanitätspatrouille verbinden. Ich habe 
jetzt an beiden Händen Verletzungen, nahezu an der gleichen 
Stelle. 
Liebste Mutter! 
Herr Dr. Malec, der zur Promotion nach Prag fährt, ist so 
liebenswürdig, diese zwei weiteren Bändchen meines Tagebuches 
abzugeben. Bin pumperlgesund, sehr lustig und habe eben Dein 
Paket erhalten. 
29. September 1914. Dein Egon Erwin. 
Velka brana, 
Mittwoch, den 30. September 1914. 
Heute ist Versöhnungstag der Juden. Genau nach dem Ritus 
faste ich notgedrungen, aber schon den zweiten Tag, denn wir 
haben keine Menage bekommen und kein Brot gefaßt. Ich 
wünschte, es wäre Versöhnungstag der Welt, kein religiöser, 
sondern ein wirklicher. 
141
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.