Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Maßnahmen der französischen Regierung 243 
päischen Krisen kommen zu lassen brauchen. Das Wohl Frankreichs würde verlangt 
haben, die marokkanischen Dinge ebenso langsam und ruhig reifen zu lassen, wie einst 
die algerischen. In der Türkei gar habe man eine unerhörte Bestechungs- und Wucher 
politik getrieben. Sei doch Constans, der langjährige Botschafter Frankreichs in Kon 
stantinopel, von den Türken nur noch „Herr Achtzehn-Prozent" genannt worden. Am 
wichtigsten für uns ist, daß ein so gut patriotischer und über jeden Zweifel erhabener 
Fachmann wie Berard auch festgestellt, daß die dreijährige Dienstzeit nur eine Folge 
dieser Finanzdiplomatie sei, die unter den heuchlerischen Redensarten vom „europäischen 
Gleichgewicht" die Spannung in Europa und die Kriegsgefahr bis ins Unerträgliche 
gesteigert habe. Bei jedem neuen Raubzug der Finanzdiplomaten würde man zur Siche 
rung Frankreichs die militärische Dienstzeit um ein Jahr haben erhöhen können. Wo 
soll eine solche Politik enden? 
Berards Frage ist jetzt beantwortet. Die poincaristische Verbindung von chauvinisti 
scher Hetze und Spekulantentum hat zum furchtbarsten Krieg geführt, der seil Napoleon 
oder gar seit dem 30jährigen Krieg Europa erschüttert hat. Wir wissen noch nicht, wie 
der Krieg ausgehen wird. Daß aber die wahren Interessen des französischen Volks in dieser 
Katastrophe auf ihre Rechnung kommen, erscheint ausgeschlossen. Die Anstifter dieses 
Kriegs und das politische System, das zu diesem Zusammenstoß geführt hat, sind gerichtet. 
Maßnahmen der französischen Regierung 
Verordnungen bis zur Tagung der Kammern und Ernennungen 
(Die wirtschaftlichen Maßnahmen, die bekannt wurden, sind auf den S. 257 ff. zusammengefaßt) 
27. September 1914. 
Die französische Regierung beschloß, alle zwischen Franzosen einerseits und 
Deutschen, Oesterreichern und Ungarn anderseits nach der 
Kriegserklärung abgeschlossenen Verträge als gegen die öffentliche 
Ordnung verstoßend für null und nichtig zu erklären. Die vor dem Kriege abgeschlos 
senen Verträge können gerichtlich für ungültig erklärt werden; ihre Ausführung wird, 
wenn sie bereits begonnen hat, eingestellt. 
Auch den deutschen und österreichisch-ungarischen Versicherungs 
gesellschaften werden die nach französischem Recht nötigen Genehmigungen entzogen. 
14. Oktober. 
Der Justizminister erteilt den Generalstaatsanwälten in Ergänzung früher erteilter 
Weisungen Instruktionen über die Durchführung der Beschlagnahme und 
Sequestrierung aller mobilen und immobilen Werte deutscher 
und österreichisch-ungarischer Firmen, die in Frankreich Handel, In 
dustrie oder Ackerbau ausüben, einerlei ob die Firmen ihre Arbeit nach der Kriegs 
erklärung eingestellt haben oder nicht und selbst für den Fall, daß sie ihr wahres Wesen 
durch Umwandlung in französische Gesellschaften verbergen oder sich hinter französische 
Verbündete oder Neutrale versteckt haben. 
23. Oktober. 
Der Justizminister hat bestimmt, daß der Erlaß über die Schließung österreichischer 
und deutscher Firmen in Frankreich, sowie über die Beschlagnahme von deren Eigen 
tum auch auf alle, nicht Handel treibende Oesterreicher und Deutsche 
ausgedehnt werden soll, die ihren Wohnsitz in Frankreich haben; Elsaß-Lothringer und 
österreichische Slawen werden davon nicht betroffen. Die Liquidation der bisher ge 
schlossenen und beschlagnahmten Firmen wird durch gerichtliche Liquidatoren oder unter 
Aufsicht der Domänenverwaltung, die dem Finanzministerium untersteht, durchgeführt.
	        
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