Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

D i e Kämpfe im Abschnitt Lille — Arras 
39 
unterminieren und sie dann in die Luft zu sprengen. Unsere Pioniere zeigten auch hier 
wieder ihre Meisterschaft und vollbrachten diese Kraft und Ausdauer fordernde Arbeit in 
etwa drei Wochen. Gar mancher Schweißtropfen ist in den Minenschächten geflossen, 
mußte doch jeder Spatenstich Erde mit äußerster Sorgfalt abgestochen und zurückgebracht 
werden. Nebenbei gesagt, wollten auch die Franzosen sich das Vergnügen machen, uns 
in die Lust zu jagen. Unsere Schächte wurden jedoch unter die gegnerischen Gräben ge 
trieben. Die Zeit war gekommen, wo die Stellung sturmreif war. Uns ward die Ehre 
zu teil, die Stellung zu nehmen. Schon Wochen vorher hatte sich ein jeder mit diesem 
Gedanken vertraut gemacht. Am 1. und 2. März 1915 lag unsere Kompagnie in Bereit 
schaft in Souchez, einer am Fuß der Lorettohöhe gelegenen Ortschaft. Am Vorabend des 
Sturmes ging es in Stellung, vorbei an dem zerschossenen Wäldchen nahe der Kirche in 
Souchez, wo die Franzosen Artillerie vermuteten, vorbei an den zerschossenen Häusern 
des Dorfes nach dem nächstgelegenen Dorf Ablain. Auch hier sieht es trostlos aus, die wun 
derbare, im Renaissancestil erbaute Kirche mit den für Frankreich charakteristischen, oben 
abgeplatteten Türmen, ist arg zerschossen. Schade für die schöne Glasmalerei der Kirchen 
fenster und das herrliche Schnitzwerk des Chorgestühls! Ablain ist von seinen Bewohnern 
verlassen, leere Fensterhöhlen starren uns entgegen. Dann ging es in den Hohlweg, der 
zur Stellung führte. Immer deutlicher hörte man das heimtückische Zischen der feind 
lichen Jnfanteriegeschosse, aber unbeschädigt langte die Kompagnie oben an. Diese Nacht 
wurde noch fieberhaft gearbeitet, gegen Morgen war auch die letzte Arbeit beendigt. Ein 
jeder stand mit aufgepflanztem Seitengewehr an seinem ihm zugewiesenen Platz. Die 
Kompagnie war in drei Abteilungen eingeteilt. Abteilung 1 und 2 sollten vorgehen, 
während die dritte Abteilung mit Material, Sandsäcken, Schutzschilden usw. den Ausbau 
der französischen Stellung nach deren Eroberung übernehmen sollte. Klopfenden Herzens 
erwarteten alle das Zeichen zum Angriff. Gegen 6 Uhr morgens fielen ein paar Schüsse 
unserer Artillerie, die aber nur den Zweck hatten, sich genau einzuschießen. Dann war 
wieder tiefer Friede, nur ab und zu unterbrochen von den Posten, die gewohnheitsmäßig 
einen Schuß abgaben. Unsererseits wurde eisiges Schweigen bewahrt; es war die Ruhe 
vor dem Sturm. 
Der Zeiger rückte immer weiter vor. Der junge Tag rüstete sich. Da, es mochte 
7 Uhr zu sein, erschienen zwei rote Leuchtkugeln am Firmament. Lautlose Stille. Plötz 
lich ein erdbebenähnliches Zittern. Vor uns eine mächtige Rauchwolke; Erdmassen, 
Felsstücke und Menschenleiber flogen durch die Luft. Die in den Minenschächten be 
findlichen Pulverladungen waren losgegangen, gleichzeitig traten auch unsere Minen 
werfer in Tätigkeit und übten ihr verderbenbringendes Handwerk aus. Sekundenlange 
Pause; jeder faßte seine treue Knarre fester. Nun eröffnete unsere Artillerie ein fnrcht- 
bares Bombardement auf die französischen Gräben. Ein letzter Gedanke an die Heimat! 
Unsere Braven kletterten mit bewunderungswürdiger Gewandtheit aus dem Graben, 
obwohl durch das monatelange Schützengrabenleben die Glieder keineswegs gelenkig ge 
worden waren. Im Sturmschritt arbeitete man sich an den ersten französischen Graben 
heran. Ein lebhaftes Feuergefecht entspann sich, dauerte etwa zehn Minuten, dann 
ging es mit blanker Waffe in den Graben. Was sich wehrte, wurde niedergemacht. 
Da die Besatzung einsah, daß jeder Widerstand nutzlos war, so ergab sie sich, warf auf 
Aufforderung ihre Gewehre fort und begab sich in unsere Deckungsgräben. Da im 
ersten französischen Graben nun alles erledigt war, mußten wir uns nach weiterer Ar 
beit umsehen. Was lag näher, als der zweite feindliche Abschnitt? Mit Hurra ging 
es drauf los, ohne zu zaudern. Nach kurzem wütenden Handgemenge ergab sich auch 
die Besatzung dieses Grabens. Einige versuchten in der Flucht ihr Heil, jedoch durch 
wohlgezielte Schüsse büßten sie ihre Unvorsichtigkeit. Mit der Eroberung dieses Ab-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.