Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Anschluß an die anglo-französische Entente cordiale habe es ein erheb¬ 
liches Gewicht in die Wagschale der Gruppe geworfen, welche schon 
wiederholt ihren Einfluß in einem den deutschen Interessen entgegen¬ 
gesetzten Sinne geltend gemacht habe. Angesichts dieser Situation bleibe 
Deutschland jetzt nichts übrig, als sich um so enger an seinen Bundes¬ 
genossen anzuschließen und für die Interessen desselben noch mehr 
einzutreten, als es durch den Buchstaben des Bündnisvertrages an sich 
genötigt gewesen wäre. Die uns gegenüberstehende Gruppe sei zu mäch¬ 
tig, als daß wir nicht darauf Bedacht nehmen müßten, alles zu ver¬ 
meiden, was das Vertrauen Österreich-Ungarns in unsere Loyalität zu 
erschüttern geeignet sein könnte. Ich betonte, daß ich in diese meine 
Worte keinerlei Rekriminationen legen, vielmehr lediglich die Situation, 
mit der wir bis jetzt zu rechnen hätten, beleuchten wollte. Die russische 
Politik habe zwischen Deutschland und der anglo-französischen Gruppe 
zugunsten der letzteren gewählt, weil sie geglaubt habe, den russischen 
Interessen damit besser zu dienen. Das sei ihr gutes Recht, man könne 
sich aber hier nicht darüber wundern, daß Deutschland aus dieser Sach¬ 
lage die Konsequenzen ziehie und Bedenken trage, Rußland im gegen¬ 
wärtigen Augenblick Dienste zu leisten, zu welchen es sich bei einer 
anderen Konstellation vielleicht in gewissem Maße hätte bereit finden 
lassen können. 
Herr Iswolski wollte zunächst bestreiten, daß eine allgemeine poli¬ 
tische Annäherung Rußlands an England stattgefunden hätte. Man habe 
sich nur über verschiedene Fragen in Zentralasien geeinigt, welche den 
Keim zu Konflikten enthalten hätten und dadurch eine stete Gefahr 
für den Frieden gewesen wären. Man spreche ihm immer von Reval. 
Habe er aber nicht vor dieser Zusammenkunft deutlich genug erklärt, 
daß dieselbe keine feindliche Spitze gegen Deutschland haben solle? 
Er könne immer nur von neuem mit seinem Ehrenwort versichern, daß 
in Reval keine weiteren politischen Vereinbarungen getroffen worden 
seien. Habe denn der russische Kaiser nicht wie andere Monarchen 
auch das Recht, Besuche, und in diesem Falle sogar einen ihm seit Jah¬ 
ren geschuldeten Gegenbesuch zu empfangen. Il faut dire que la politi¬ 
que allemande est bien intolérante. 
Ich1 konnte hierauf nur erwidern, daß die Entrevue und besonders 
der Lärm, der um dieselbe gemacht worden sei, in der ganzen Welt 
als eine Besiegelung des anglo-französisch-russischen Einvernehmens 
aufgefaßt worden sei. 
Herr Iswolski frug dann, ob ich ihm, abgesehen von der Haltung der 
russischen Presse, die sehr zu Unrecht ihm immer zur Last gelegt werde, 
einen Punkt nennen könne, in welchem sich die russische Politik der 
deutschen unfreundlich gezeigt habe. Ich wiederholte zunächst, daß es 
nicht meine Absicht gewesen wäre, Rekriminationen zu erheben, wenn 
er aber diese Frage schön auf werfe, so wollte ich ihm nur die Namen: 
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