Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

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Vorbereitungen zur Offensive 
Das Verhältnis zu den politischen Kräften des Landes. 
Unter den politischen Kräften, mit denen ein klares Verhältnis herzu¬ 
stellen war, stand trotz ihrer augenblicklichen Machtlosigkeit die lettische 
Regierung an erster Stelle. Sie hatte zwar seit ihrer Verlegung nach 
Libau nur eine sehr geringe Anhängerschaft hinter sich und stand ins¬ 
besondere zu den wirtschaftlich stärksten Kreisen des Landes, den Deutschen 
und Juden, in schärfstem Gegensatz. Sie war aber bemüht, ihre Stellung 
durch Pflege eines scharf betonten lettischen Nationalismus zu stärken, fand 
damit aber nur bei einer schmalen Schicht der im Entstehen begriffenen 
lettischen Intelligenz Verständnis. Der führende Kopf der Regierung war 
unbestritten der Ministerpräsident Ulmanis. Cr machte äußerlich einen 
bäuerlichen Eindruck, war aber sehr intelligent, hatte viel von der Welt 
gesehen, war u. a. in Deutschland und Amerika gewesen und stand wohl in 
erster Linie aus Zweckmäßigkeitsgründen auf seiten der Entente. Haupt¬ 
vertreter der scharf deutschfeindlichen, zum Bolschewismus neigenden 
Richtung waren der Kriegsminister Sahlit und die Minister Goldmann und 
Paegle. Der deutschen Okkupationsmacht stand die Regierung durchaus 
feindselig gegenüber, obwohl sie deren Schutz gegen den vordringenden 
Bolschewismus unbedingt brauchte. Statt mit den Deutschen in vernünftige 
Beziehungen zu treten, suchte sich die Regierung auf die Entente zu stützen 
und gelegentlich auch die ihr politisch näherstehende deutsche Reichsregierung 
gegen die militärische Führung auszuspielen. Zur Zeit befand sich der 
Ministerpräsident auf einer Rundreise durch die europäischen Hauptstädte, 
um die Kabinette für das Schicksal Lettlands zu interessieren und Geld auf¬ 
zutreiben. 
Von entscheidender Bedeutung war, daß die Regierung Ulmanis einen 
wesentlichen Rückhalt in der Bevölkerung nicht hatte. Nur der Minister¬ 
präsident persönlich verfügte über eine kleine Gefolgschaft, die aber im 
wesentlichen in Livland saß. Die Masse der Bevölkerung, nach Ansicht des 
Grafen von der Goltz 60 v. H., in Libau noch mehr, war bolschewistisch 
gesinnt. Sie berührte sich mit den Ulmanis-Anhängern nur in ihrem ab¬ 
grundtiefen Haß gegen die Balten, denen sie ihren Besitz mißgönnte und 
ihre kulturelle Überlegenheit nachtrug. 
Die Regierung war im übrigen ein getreues Spiegelbild des durch nihi¬ 
listische und bolschewistische Einflüsse und durch die russische Nationalitäten¬ 
politik nicht zu seinem Vorteil veränderten Lettentums. Sie hatte zwar, 
als seinerzeit ihre Not in Riga aufs höchste gestiegen war, mit dem deutschen 
Generalbevollmächtigten am 7. Dezember 1918 einen Schutzvertrag, auf 
Grund dessen die Baltische Landeswehr gegründet worden war, und am
	        
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