Volltext: Das Bild als Waffe

aber, der in gutem Glauben und, propagandistisch gesehen, mit weit höhe¬ 
rem Erfolg als die ersteren arbeitete, bestand aus begeisterten und mit¬ 
reißenden Kämpfern, die sich nur in der Art ihrer Waffen von den Poilus 
an der Front unterschieden. 
Man sehe in der Aufrichtigkeit des Künstler-Propagandisten und 
seinem Glauben an das Recht der eigenen Sache nicht immer nur die mora¬ 
lische Rechtfertigung seines Tuns: entscheidender noch erscheint die Be¬ 
deutung dieser Elemente als wirkungsfördernde Faktoren, die in einer 
guten Propaganda nicht fehlen dürfen 367. Nachhaltig und überzeugend 
auf die Massen zu wirken vermag eben nur der, der selbst von der Richtig¬ 
keit seiner These überzeugt ist und der an die Berechtigung, ja Heiligkeit 
seiner Gefühle, seien es solche der Überlegenheit, der Verachtung, des 
Hasses und der Wut oder solche der Anerkennung und Verehrung, glaubt. 
Geradezu eine Umkehrung der beabsichtigten Wirkung erzielen da¬ 
gegen vielfach die vielleicht äußerlich gekonnten, auf agitatorischen Effekt 
kalt berechneten, innerlich aber unwahren Tendenzbilder, vor allem dann, 
wenn sie sich mit Hilfe meist erotisch-sadistischer Methoden an die nied¬ 
rigsten Instinkte ihres Publikums wenden. Die französische Bildpropa¬ 
ganda kennt Beispiele auch dieser zweiten Art in übergroßer Zahl. Wäh¬ 
rend des Krieges wurden sie u. a. durch die deutsche Veröffentlichung 
„Dokumente des Hasses, Blicke in die Seelen unserer Feinde“ an den 
Pranger gestellt; später nahm Paul Posse das gleiche Thema in satirischer 
Form wieder auf 368. 
Aus dem Grundgesetz propagandistischen Erfolges, daß der Künstler 
volkstümlich zu sein hat und sich an das Gefühl der Masse wen¬ 
den muß, erwuchs der französischen Bildpropaganda eine zweite Gefahr: 
die des Abgleitens in die seichte, gehalt- und gestaltlose Ebene des n a t i o - 
nalen Kitsches, der die zu vertretenden Ideen ungewollt, aber un¬ 
fehlbar lächerlich macht. Auch dieser Gefahr ist sie zum Teil erlegen. 
Über das Sondergebiet der „Kunstpostkarte schreibt ein französischer 
Kritiker: 
„Niemals ist die Postkarte von einer ekelhafteren Schalheit ge¬ 
wesen. Elsässerinnen in den Armen romantischer Infanteristen, ele¬ 
gante Lazarettflirts um den sympathischen Verwundeten, Verlo¬ 
bungen von «Filleuls» und «Marraines» machen sich in zarten Far¬ 
ben in den Schaufenstern der Kioske und Verkaufsstände breit.“369 
Er betont dabei, daß diese «imagerie puerile» nur einigen Dutzend 
bekannter oder obskurer „Künstler“ zuzuschreiben sei. Von einem im 
BONNET ROUGE erschienenen geschmacklosen Bild heißt es, daß die 
französische Presse dieses Bild niedriger hängen würde, wenn eine deutsche 
Zeitung es gebracht hätte 37°. Das Wort Cambronnes sei nur dann heroisch 
und annehmbar, wenn man es auf dem Schlachtfelde ausspräche 371. Gegen 
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