Volltext: Das Bild als Waffe

mik reiner Ausdruck der Zeitstimmung sind, aus dem Rahmen unserer Be¬ 
trachtung. Da sich weiterhin auch im einzelnen Bild diese beiden Elemente 
überschneiden, wird hier ebenfalls eine Trennung nötig: lediglich der dyna¬ 
mische Teil ist Gegenstand der Kritik 363"'. 
Greift man als erste Sphäre der Wertung die ethische heraus, so 
erweist sich die Frage der Aufrichtigkeit der Künstler-Propagan¬ 
disten und im Zusammenhang damit die Frage nach der Wahrheit in 
der Propaganda überhaupt als das Kernproblem. Thimme sagt hierzu: 
„Man kann zu der Entstellung der Wahrheit im Kriege verschiedene 
Standpunkte einnehmen. Entweder man rechtfertigt sie als ein Kampf¬ 
mittel und eine Kriegsnotwendigkeit im machiavellistischen Sinne. So hat 
es die französische Propaganda gemacht. Oder man hält an dem Grund¬ 
sätze der Wahrhaftigkeit fest. Dann muß man sich auf den Vorwurf der 
Heuchelei gefaßt machen, wenn man dagegen verstößt/' 364 Daß ein großer 
Teil der französischen Hetzbildzeichner von der Unwahrheit der zu 
Papier gebrachten Anschuldigungen gegen die deutsche Kriegführung — 
man denke nur an die Greuelpropaganda — überzeugt war, darf als sicher 
hingestellt werden. Für sie galt Lüge, Fälschung und Verleumdung als 
vaterländische Pflicht. Für die Wirkung der Greueldarstellungen, um ein¬ 
mal bei diesem Sonder gebiet der politischen Agitation zu bleiben, waren 
jedoch jene Bilder weitaus bedeutender, deren Urheber mitdervollen 
Uber zeugungstreue der sittlichen Persönlichkeit 
gegen vermeintliche Frauenschändungen und Kindermorde der deutschen 
Horden protestierten. Die geradezu infernalische Irreführung des fran¬ 
zösischen Volkes und der halben Menschheit ist ebensosehr auf das Konto 
der amtlichen Stellen zu setzen, von deren «Rapports Officiels» wir 
oben 365 ein wohl ausreichend charakteristisches Bild gaben, wie auf das 
der Bildschöpfer. War der Künstler von der Wahrheit dieser furchtbaren 
„Tatsachenberichte" überzeugt — und sein eigenes Glauben wollen half 
ihm unbewußt dabei —, so war es ihm als Menschen und Franzosen nicht 
nur erlaubt, sondern er mußte sich sogar sittlich verpflichtet fühlen, mit 
der ganzen explosiven Kraft seines Gefühls und der Dynamik seines 
künstlerisch-publizistischen Talents den Kampf gegen die „Feinde der 
Menschheit" aufzunehmen. Und so ist es in der Tat gewesen: jene macht¬ 
volle Kraft, die in der Überzeugung des Propagandisten 
von der absoluten Wahrheit der eigenen Ideen liegt, 
die Vertrauen gibt und Vertrauen schafft, strahlte unsichtbar, aber um so 
wirksamer aus den Bleistiftstrichen der Zeichnungen und den Worten der 
Beischriften. 
Das Wort eines Franzosen, der die Karikaturisten die „Prostituierten 
des Zeichenstifts" nennt 366, trifft — das sei betont — einen Teil fader 
und geschmackloser Witzmacher mit vollstem Recht. Der andere Teil 
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