Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Lavarone-Folgaria. 
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Auch im Jänner und Februar war er nicht glücklicher. 
Wiederholte Angriffe gegen Castell Dante blieben ohne Erfolg 
und unsere schwachen Stellungen um Rovereto erwiesen 
sich als eine unüberwindliche Sperre gegen den italienischen 
Einfall. Wie es im Frühjahr 1916 in der evakuierten Stadt 
und ihrer Umgebung aussah, davon gab der Kriegsbericht-- 
erstatter der „Reichspost" folgende anschauliche Schilderung: 
„Um das alte Kastell gelagert die blühende reinliche Stadt, 
der Hort der reichsten Jrredentisten, die Stadt alter, schöner 
Paläste, die Hauptstadt des österreichischen Seidenhandels einst, 
jetzt ein schlummerndes Pompeji, ein Ort, wo alles Leben, 
alles Lachen und Weinen an einem einzigen Tage erloschen. 
Geschlossene Läden, verrammelte Türen, blinde Fenster, 
Straßenzüge, in denen weit und breit kein Mensch zu sehen. 
Stille Höfe, in denen sich Hausrat aufstapelt, Wohnungen, 
die von rascher Flucht zeigen, das ist heute Rovereto. 
Da gab es manche, die sich zwar gerne in Osterreich 
bereicherten, die ihren Wein hier besser verkauften, als die 
drüben, die die Seide besser bezahlt bekamen, als in Italien, 
die aber immer ein „Evviva" bereit hatten, die immer über 
die Grenze schielten. Sie wollten den Italienern entgegen, 
gehen, wollten sie hereinführen und hatten darum ihr Haus 
wohlbestellt zurückgelassen, denn sie würden ja mit den 
„Erlösern" bald einziehen. Aber es kam anders! Der Er-- 
löser fand den Weg nicht durch unsere Verteidigungslinien 
und die zwölf Betten, die ein Herr Eandelpergher, ein Führer 
der Jrredenta, trotz dem deutschen Namen in seinem Hause 
schon gerichtet, zwölf mit der italienischen Trikolore ge, 
schmückte Offiziersbetten stehen noch heute leer in seinem 
großen alten Haus. 
Einige Rädelsführer waren da, denen es sehr gut ging. 
Man braucht nur die alten schönen Paläste zu sehen, die diese 
Herren bewohnten. Große mächtige Räume, Zimmer, 
wie sie die moderne Großstadt nicht mehr kennt, bemalte 
Wände, alte schöne Möbel, prächtige Türen, nicht immer 
echt im Geschmack, aber doch von Prunk zeigend ... Einst-- 
mals mochte es hier behaglich altväterisch warm gewesen 
sein, jetzt da der Windhauch des Krieges durch die Stadt 
gefegt, da das böse Gewissen vor der Flucht rasch die suchen-- 
den Hände sich krampfen ließ um verdächtige Papiere und 
Schriften, herrscht nur Ode und schreckliche Unordnung 
in diesen Räumen. Nur das nahmen die Fliehenden mit, 
was ihnen in der Sekunde der Angst, der Hast wichtig er- 
schien. Geld und Gut ließen viele zurück, in der Erwartung, 
bald wieder hier einzuziehen. Von den bäuerlichen Stand, 
schützen italienischer Nationalität haben sich die meisten brav 
gehalten. Sie haben sich in richtiger Erkenntnis schützend 
vor ihre Heimat gestellt. Und es sind sogar solche darunter. 
deren Grenzorte man den Italienern aus strategischen Grün-- 
den preisgeben mußte, deren Familien drüben bleiben muß, 
ten, dennoch hielten sie wacker aus .... 
|-! Alle Nationen Osterreich,Ungarns finden wir an der 
Front bei Rovereto verwendet und auch hier bewähren sich 
alle gleich. Sie halten Disziplin und schonen in muster, 
gültiger Weise die ihnen anvertraute Stadt. Wo man die 
Kupfervorräte sammelt, da geschieht es durch eigene Kom, 
misstonen, und jedes Stück, jeder Kessel wird gewogen und 
die darauf entfallende Gebühr genau gebucht ... Uberall 
findet man Schutzwachen, die das Gut der Entflohenen 
und der Patrioten schützen, und nur unter Führung eines 
dazu bestimmten Offiziers kann man ein Zimmer in einer 
Wohnung betreten. 
Schatten liegt in den toten, engen Gassen des inneren 
Rovereto, Sonne, pralle Sonne draußen in der Lenoebene 
wie auf den Bergrücken. Und wenn man etwas höher steigt, 
dann hat man die Traurigkeit der verlassenen Stadt, die 
Leere der Gassen vergessen, man kommt zu den prächtigen 
Kämpfern. Da stehen Tiroler Heldenkompagnien, die schon 
in Galizien hervorragend gekämpft. Sie sind zäh und tapfer 
und dabei fleißig. Den ganzen Tag geht das Schanzzeug, 
Stellungen werden gebaut und eine Linie hinter der anderen 
neu errichtet. Bei Rovereto ist ein Berg, der einem Bienen, 
haus gleicht, nicht wegen des Fleißes der Bewohner nur, 
auch wegen der vielen Unterschlupfe, wegen der zellenartigen 
Bauten, die in ihm angebracht sind. Verbindungsgang, 
Graben, Eaverne, und wieder Stellung, das wechselt wie in 
einem Labyrinth, und wenn man hier einen Fremden her, 
führt und stehen läßt, so wird er kaum aus all den Gängen, 
aus all den Schächten herausfinden... 
Vorne, an der äußersten Stellung, stehen Männer an 
den Schußlöchern und sehen unverwandt hinaus auf die 
Landschaft, auf die Schlucht davor, auf die Höhe gegenüber. 
Die Leute drehen sich nicht um, wenn wer in den Graben 
tritt, immer ist ihr Blick starr nach vorne gerichtet, stunden, 
lang, bis Ablösung kommt. Sie scheinen auch gar nicht zu 
hören, was hinter ihnen vorgeht. 
Und doch hat vor nicht langer Zeit da ein Kampf statt, 
gefunden. Unsere Feldwachen draußen wurden von drei 
Bataillonen angefallen und hielten trotzdem drei Tage lang 
vor den Stellungen den Feind auf, bis ihnen befohlen wurde, 
zurückzugehen. Der Feind ließ 350 Mann am Platze, wir 
hatten nur sechs Mann Verlust." 
Und so blieb es im Etschtal bis zu unserer Maioffensive, 
die den Gegner aus der Nähe Roveretos zurückwarf und 
die die Stadt beschützenden Höhen der Zugna Torta am 
linken Etschufer wieder in unseren Besitz brachte. 
Lavarone-Folgaria. 
(Bis zur Maioffensive 1916.) 
Auch an dieser Front hatten wir ungünstige Stellungen 
zu verteidigen. Die zahlreichen permanenten Werke der 
Italiener in der Gegend der Sieben Gemeinden beherrschten 
unsere Verteidigungsstraßen und den Grenzverlauf. Oben, 
drein hatten wir zu Kriegsbeginn weit weniger und viel 
weniger weit reichende Geschütze als der Feind. Unsere 
vorbereitete Hauptverteidigungslinie, in der auch die 
Werke lagen, ging vom Dosso del Sommo über Sommo 
alto zum Asticoknie bei Buse und von dort am nördlichen 
Höhenrand des Tales über Gschwent auf Eima di Vezzena. 
Da aber diese Linie von den Italienern gänzlich be, 
herrscht war und so auch die Werke sofort verloren ge, 
gangen wären, mußte die eigentliche Verteidigungslinie 
vorgeschoben werden: sie wurde auf Folgaria in der Linie 
Monte Maronia—Coston—Malga Grimma, auf Lavarone 
notgedrungen in der Linie Eima Norre (nördlich von 
Easotto—Cima di Luserna—Basson di sopra—Cima di 
Vezzena) geführt. Der schweizerische Obst. Müller schrieb 
darüber im Juli 1915 in der „Neuen Zürcher Zeitung": 
„Die österreichisch,ungarischen Stellungen auf den Hochflächen
	        
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