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Publikum durch lange Zergliederungen und Erhebung der Stücke
auf dem Komödienzettel bewegt werden muß. Diese Mittel tun ihre
Wirkung eine Zeitlang. Sobald aber das Publikum ein paarmal sich
dadurch getäuscht findet oder dasjenige nicht sieht und empfindet, was
es sich dabei vorgestellt hat, so schlagen auch diese Reizungsmittel
fehl und es traut einem wirklich guten Stücke künftig noch weniger
zu. Die langen Epilogen auf den Zetteln taugen überhaupt nichts —
gute Auswahl in den Stücken, die der Neigung des Publikums
entsprechen, öftere Abwechslungen und gutes Spiel der Schauspieler
machen besseren Effekt, bringen mehr Zutrauen und Neugierde ins
Publikum, sind bessere Reinigungsmittel als alle Scharlatanerien im
Zettel, bey welchen sich der Zuschauer am Ende um desto mi߬
vergnügter befindet.“
Also mehr Novitäten, mehr Opern, weniger Rührstücke, mehr
wirkliche Aufregung ä la Schiller und weniger Reklame wünschten
die Linzer.
Wenn man das Verzeichnis der vom 17. April bis zum 10. August
1787 aufgeführten Stücke und die Reihe der neu einstudierten1)
überblickt, und einen Vergleich mit den gleichzeitigen Darbietungen
des Wiener Burgtheaters* 2), der Grazer3) und der Frankfurter4)
Bühne anstellt, so kann das Urteil über Lassers Geschmack kaum
ungünstig ausfallen. Wir finden nicht wenige Wiener und Frank¬
furter Repertoirestücke auch in Linz vertreten.
Ich erwähne nur: „Rudolf von Habsburg“ von Werthes,
„Der Mönch vom Berge Carmel“ von Dalberg, „Die Mündel“
von Ifflandj „Die beiden Billets“ von Wall, „Der Ring“ von
Schröder, Shakespeares „Julius Caesar“ und „Hamlet“ (wohl in
Schröders Bearbeitung), Gemmingens „Hausvater“, die Opern „La
Frascatana“ von Paesiello, „Die Höhle des Trophonio“ von
Salieri und „Figaros Hochzeit“ von Dittersdorf.
In dem Verzeichnisse stehen mehr als 20 Opern, allerdings
manche mehrmals wiederholt.
Zu den vom gebildeten Publikum kühl aufgenommenen Rühr¬
stücken gehörte vielleicht auch das am 28. Mai aufgeführte Schauspiel
„Hanno, Fürst im Norden“ von J. Chr. Bock, ein Gemisch aus
WerthePscher Sentimentalität und veralteten, grausamen Anschauungen.
b Im Anhänge.
2) E. Wlassack, Chronik des k. k. Hof-Burgtheaters. Wien 1876, S. 65—67.
3) A. Schlossar, Innerösterreichisches Stadtleben, p. 41.
4) E. Mentzel, Das alte Frankfurter Schauspielhaus und seine Vor¬
geschichte. Frankfurt 1902, S. 61 f.