Volltext: Lemberg 1914

Die Fernauf klärung durch die Kavalleriedivisionen. 
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aus begründet. Die modernen Feuerwaffen haben jedoch die Verhältnisse so 
grundlegend geändert, daß jede rechtzeitig zum Feuergefecht absitzende Kaval¬ 
lerie einem attackierenden Feinde gegenüber wesentlich im Vorteil ist. Man 
hatte dies stellenweise im Frieden wohl geahnt, doch hätte niemand es auf 
sich nehmen können, mit einer festeingelebten Tradition zu brechen. 
Reiterkampf und Fußgefecht sind für jede Reitertruppe entgegen¬ 
stehende Probleme. Während die Truppe in einem Falle geschlossen und 
massiv wirkt, erfordert das Feuergefecht lockere, weit auseinandergezogene 
Kampfformen. Und das Pferd, welches im Reiterkampfe beinahe die Haupt¬ 
sache ist, wird im anderen Fall eher zum Hindernisse. 
Die eingelebte Dienstesroutine der Truppe war im Frieden fast aus¬ 
schließlich durch die so schwierige Ausbildung zum geschlossenen Reiterkampf 
absorbiert und stand deshalb jeder Änderung entgegen. Aber auch von den 
höchsten Stellen aus wollte man keine Experimente bezüglich unserer anerkannt 
vorzüglichen Kavallerie zulassen. 
So zogen unsere Kavalleriedivisionen, wie sie es gelernt hatten, ge¬ 
schlossen an den Feind, und in Konsequenz der eigenen Anschauungen erwar¬ 
teten sie Reiterkämpfe. Aber auf Grund der Erfahrungen des Mandschurischen 
Krieges traten die Russen beinahe ausschließlich nur in kleineren Gruppen, 
dafür aber in breiten Fronten gleichzeitig auf. Oft machten sie vom Feuer¬ 
gefechte Gebrauch, zumeist wichen sie aus, um bald an anderer Stelle wieder¬ 
zukehren. Dies führte bei uns sehr rasch zu einer gewissen Unsicherheit und 
zu dem immer mehr sich steigernden Ruf nach Infawterieunterstützung. 
Aber auch ein enormer Kräfteverbrauch war damit verbunden. Die 
stete Bereitschaft in Feindesnähe ließ zumeist nur Freilager, höchstens ge¬ 
drängte Notunterkünfte zu, dazu kamen auch noch Futterwechsel und Witte¬ 
rungseinflüsse, und so sank die Kondition der Pferde sehr rasch. Dadurch ent¬ 
standen immer mehr und mehr Druckschäden. Gleichzeitig zerrte der durch 
häufige Regen immer wieder aufgeweichte lehmige Boden an Hufbeschlägen 
und Sehnen. Am Ende der dritten Augustwoche waren nahezu die Hälfte 
der Pferde schon gänzlich dienstunfähig, die andere Hälfte nahe daran, es 
zu werden. Die Rolle der Kavallerie war zu diesem Zeitpunkte beinahe schon 
zu Ende. 
Seit der großen Entwicklung der Feuerwaffen in den letzten Jahrzehnten 
vor dem Kriege ist die Kavallerieaufklärung natürlich unverhältnismäßig 
schwieriger geworden, weil schon geringer Feuerwiderstand die Kavallerie 
fernhalten kann. Und doch sind durch Patrouillenaufklärung immer wieder 
gute Erfolge erzielt worden. Allerdings sind hiefür sehr sorgsame Methoden 
nötig, hauptsächlich ein Binden der Aufklärungsabteilungen und des Melde¬ 
dienstes an bestimmte Punkte und Linien. Auch hier wäre dies nötig gewesen, 
um die Aufklärung von den stets in Bewegung befindlichen Kavalleriegros 
unabhängig zu machen. 
Es lag sowohl an den- im Frieden großgezogenen Auffassungen als auch 
an den mehrfachen Befehlen, Schläge zu führen, daß sich unsere Kavallerie¬
	        
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