Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 12. Die Disputation in Barcelona 
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nähme wurde damit begründet, daß die Juden bei Predigten außer 
halb ihres Viertels Verhöhnungen von seiten der Christen ausgesetzt 
seien. Aus demselben Grunde war es den predigenden Missionaren 
untersagt, die Synagogen in Begleitung einer christlichen Volksmenge 
aufzusuchen, ihr Gefolge durfte vielmehr aus höchstens zehn christ 
lichen Notabein bestehen. All diese sprunghaften Schwankungen zwi 
schen generellen Repressivmaßnahmen und deren teilweiser Aufhe 
bung zeugen davon, daß sich der König unter der Einwirkung zweier 
entgegengesetzter Faktoren befand: der klerikalen Partei und der jü 
dischen Bevölkerung, von denen die erste einen Druck auf seine Seele 
ausübte, die andere aber auf seine Geldbörse, deren reichen Inhalt er 
nicht zuletzt den jüdischen Finanzleuten zu verdanken hatte. 
Die klerikale Partei dachte indessen nicht daran, den Kampf auf 
zugeben. Nach der in der Diskussion mit dem geistigen Führer der 
Judenheit erlittenen Schlappe suchte die Geistlichkeit einen Vorwand, 
um sich an ihm zu rächen. Ein solcher Vorwand wurde denn auch 
bald ausfindig gemacht. Um nämlich die Lügenhaftigkeit des von 
Paulus Christiani zu Agitationszwecken verbreiteten Berichtes über die 
Disputation zu enthüllen, schrieb Ramban eine (unserer Schilderung 
zugrunde gelegte) wahrheitsgetreue Darstellung des Disputationsver 
laufes nieder, mit der er verschiedene jüdische Gemeinden durch Ab 
schriften bekannt machte; eine Abschrift davon übergab er auch dem 
Bischof von Gerona. Die Dominikaner waren über den Bericht, der 
ihre gefälschten Siegesmeldungen Lügen strafte, überaus erbost. Da 
in der Darstellung des Ramban auch die von ihm bei der Disputation 
gebrauchten unzarten Wendungen über das Dreifaltigkeitsdogma so 
wie seine Worte von dem „aus dem Leibe einer Jüdin hervorgegan 
genen Gott“ wieder gegeben waren, so wandten sich die in der Zensur 
kommission tätigen Mönche an den König mit der Forderung, daß der 
Verfasser (in der amtlichen Urkunde wird er mit seinem spanischen 
Namen Bonastrug de Porta genannt) wegen Blasphemie belangt werde. 
Der König berief denn auch Ramban nach Barcelona, um von ihm 
Rechenschaft zu verlangen. Der Beschuldigte erklärte nun in Gegen 
wart des Bischofs von Barcelona und einiger Priester, daß er in sei 
nem Bericht dieselben Ausdrücke wortgetreu wiedergegeben hätte, die 
er während der Disputation gebraucht habe, bei der ja der König 
selbst ebenso wie Pennaforte ihm Redefreiheit gewährt hätten. Nach 
Prüfung der Angelegenheit wurde vom König in Gemeinschaft mit 
7 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes, Bd. V
	        
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