Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Nr. 1. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 3. 
Über Dampfkesseleinmauerungen. 
Von E. Weiß in Budapest. 
Nach den Ergebnissen vieler Heizversuche, bei denen 
die Verdampfung für 1 Quadratmeter Heizfläche etwa 10 
bis 33 Kilogramm in der Stunde betrug, kann man an¬ 
nehmen: 
Ein Kessel ist stark geschont, wenn auf 1 Quadrat¬ 
meter Heizfläche und Stunde 10 Kilogramm, mäßig ge¬ 
schont, wenn 15 Kilogramm, angestrengt, wenn 25 Kilo¬ 
gramm und stark angestrengt, wenn auf 1 Quadratmeter 
Heizfläche und Stunde 36 Kilogramm Wasser verdampft 
werden. Aus den Heizversuchen ergibt sich auch, daß 
man von stark backender Steinkohle nicht mehr als 60 
bis 70 Kilogramm, von weniger backender nicht mehr 
als 70 bis 80 Kilogramm, von magerer höchstens 80 bis 
100 und von Braunkohle je nach deren Güte nicht mehr 
als 100 bis 150 Kilogramm für die Stunde und 1 Quadrat¬ 
meter Rostfläche verbrennen soll. Die durch die Heiz¬ 
versuche gesammelten Zahlen geben die Grundlage zur 
Beurteilung, in welche der erwähnten Klassen eine Kessel¬ 
anlage fällt und in welchem Sinne dieselbe zu rekon¬ 
struieren wäre; sie geben auch den Maschinenfabriken 
Mittel an die Hand, um neue Anlagen für ökonomischen 
Betrieb zu bauen. Allerdings scheitern solche Anlagen 
oft am Kostenpunkt und der Besteller kommt, mit oder 
ohne Willen, zu einer Anlage, die angestrengt und daher 
unökonomisch arbeitet. 
Wir teilen also die Dampfkessel in zwei Gruppen ein: 
in geschonte und angestrengte und betonen, daß es sehr 
wichtig ist, die Einmauerung danach anzuordnen. Die 
Rostfläche eines Kessels steht in einem gewissen Ver¬ 
hältnis zur Heizfläche und die Größe dieses Verhältnisses 
hängt davon ab, ob der Kessel geschont oder angestrengt 
arbeiten soll. Die althergebrachten Verhältnisse zwischen 
Rostfläche und Heizfläche in den engen Grenzen von 1/20 
bis 1/30 sind vollständig hinfällig geworden, da man heute 
dieses Verhältnis bei den schon im voraus als geschont 
bezeichneten und ausgeführten Kesselanlagen mit 1l60, ja 
sogar mit 1/70 bei großer Brennstoffersparnis ausgeführt hat. 
Es möge niemand ein solches Verhältnis bei einem 
Kessel anwenden, der angestrengt arbeiten muß. In Fällen, 
wo bei einer ungenügenden Kesselanlage die Rostflächen 
vermindert wurden, der Dampfverbrauch aber der gleiche 
blieb, stellten sich die Folgen bald in der Weise ein, daß 
die Feuerplatten infolge der weit stärkeren Hitze zerstört 
wurden und Reparaturen nicht zu vermeiden waren. Die 
Verbrennungsgase gelangen vom Rost über die Feuer¬ 
brücke in die Züge und durch diese in die Esse ; es ist 
klar, daß die Größe dieser Durchgangsquerschnitte von 
der Größe der Rostfläche und von der auf 1 Quadratmeter 
Rostfläche stündlich verbrannten Brennstoffmenge ab¬ 
hängt. Die Gase sollen in den Zügen möglichst direkt 
und möglichst lange mit Heizflächen in Berührung bleiben; 
jene Gase, welche mit Heizflächen nicht in Berührung 
kommen, sollen Gelegenheit finden, ihre Wärme an das 
Mauerwerk abzugeben, welches sie durch Strahlung an den 
Kessel überträgt. Daraus folgt, daß unter sonst gleichen 
Umständen jener Zug der bessere ist, der möglichst 
eng ist. Daher rührt die weit verbreitete Methode, die 
Züge möglichst eng an die Kesselwandung anzuschliessen, 
in der Absicht, die Wärme der Rauchgase möglichst aus¬ 
zunützen. Der durch weitere Züge entstehende Verlust 
wird aber durch die größere Leichtigkeit der Reinigung 
und die bei öfterer Untersuchung gebotene Sicherheit 
reichlich aufgewogen. Es ist auch nicht zu vergessen, daß 
in engen Zügen sich die Kesselwände sehr schnell mit 
Ruß überziehen, der schwer, oft gar nicht entfernt werden 
kann und man \findet, daß damit der größte Effekt der 
engen Züge bald aufgehoben wird. Dieser Wärmeverlust 
wird noch größer, wenn, wegen der unvermeidlichen Ver¬ 
legung der Züge mit Flugasche, die Gase mit großer 
Geschwindigkeit durch die Züge streichen müssen und 
keine Zeit finden, ihre Wärme abzugeben; daraus erklärt 
es sich auch, weshalb bei vielen Feuerungen die Gase 
die Züge mit sehr hoher Temperatur verlassen. Dieselbe 
Erscheinung zeigt sich aber bei angestrengten Anlagen 
auch trotz genügend, ja reichlich weiter Züge. Die Feuer¬ 
züge sollen der Bewegung der Heizgase möglichst wenig 
Widerstand entgegensetzen und das ist unter sonst 
gleichen Umständen dann der Fall, wenn sie möglichst 
weit sind. 
Die Gase nehmen beim Verlassen des Rostes, wenn 
ihre Temperatur noch höher ist, einen größeren Raum 
ein, als in der Nähe des Schornsteines und man fand, 
daß für den gewöhnlichen Fall, in welchem die Gase mit 
zirka 1200° in die Züge traten und sie mit zirka 100° 
verlassen, sich die Volumina der Gase wie 2-57 : 1 ver¬ 
halten. Wollte man erreichen, daß sich die Gase überall 
mit gleicher Geschwindigkeit bewegen, so müßte der 
Querschnitt der Züge an der Feuerbrücke größer sein 
und gegen die Esse hin abnehmen. 
Da aber zur Erreichung dieser gleichen Geschwindig¬ 
keit keine Notwendigkeit vorliegt und die Einhaltung 
verschiedener Querschnitte verschiedene praktische Ubel- 
stände mit sich führt, so verzichten wir, soweit es zu¬ 
lässig ist, darauf. Nun ergibt sich die Frage: Wie sollen 
also eigentlich die Feuerzüge gehalten werden? Wir be¬ 
antworten die Frage wie folgt: 
Die Feuerzüge sind hinlänglich groß zu machen, 
daß man sie gehörig reinigen und zur Inspektion des 
Kessels befahren kann, selbstverständlich mit genauer 
Rücksichtnahme auf den Umstand, ob der Kessel ge¬ 
schont oder angestrengt ist. 
Unbedingt ist auch die Güte des Brennstoffes von 
Einfluß auf die Einmauerungsquerschnitte, die sich auch 
nach der Flugaschenmenge richten müssen. Eine ge¬ 
schonte Anlage hat eine im Verhältnis zur Heizfläche 
kleinere Rostfläche, also kann auch der Querschnitt der 
Züge mit Berücksichtigung der Flugaschenablagerung 
und bequemer Reinigung kleiner sein als bei derselben 
Anlage, wenn sie angestrengt werden soll, da diese im 
Verhältnis zur Heizfläche unter sonst gleichen Um¬ 
ständen einen größeren Rost erhalten muß. Bei an¬ 
gestrengtem Betrieb wird der Brennstoffverbrauch wegen 
unvollkommener Verbrennung noch größer, die Flug¬ 
aschenablagerung viel stärker: es ist in solchem Falle 
vollkommen gerechtfertigt, die Züge unverhältnismäßig 
groß zu halten, was noch mehr berücksichtigt werden 
muß, wenn eine solche Kesselanlage Tag und Nacht im 
Betrieb steht, ohne daß man eine Reinigung vornehmen 
kann. Die vorliegende Abhandlung soll nur den Zweck 
haben, den Industriellen einen Wink zu geben, um 
darüber ins Klare zu kommen, in welche Klasse ihre 
Anlage fällt und ob die bestehende Einmauerung fach¬ 
gemäß ausgeführt ist oder nicht. 
Besonders jene Kesselbesitzer mögen dieser Abhand¬ 
lung ihre Aufmerksamkeit widmen, welche ihre früher 
angestrengten Anlagen mit besonders geräumigen Zügen 
in geschonte rekonstruiert und ihre Rostflächen ums
	        
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