Volltext: V. Jahrgang, 1900 (V. JG., 1900)

Seite 2. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUN G. 
Nr. 1. 
Vom Dombau in Linz. 
Herr Dombaumeister Otto Schirmer berichtet im 
„Linzer Diöcesanblatt“ über den Baufortschritt im Jahre 
1899 am Thurme des Mariä-Empfängnisdomes in Linz in 
nachstehender Weise: 
„Die Versetzarbeiten am Thurme wurden am 5. No¬ 
vember 1898 eingestellt; wie im Berichte von 1898 mit- 
getheilt wurde, sind von der Thurmspitze selbst zwölf 
Schichten, zusammen 5'57 Meter hoch, an der äusseren 
Gallerie zehn Schichten, zusammen 4.57 Meter hoch, ver¬ 
setzt worden. Das im Jahre 1898 erbaute Gerüste war 
hiemit ausgenützt und musste im Frühling 1899 mit der 
Erhöhung desselben begonnen werden. Der neue Aufbau 
ist in zwei Etagen, 12*6 Meter hoch, ausgeführt. Die auf 
der Gallerie stehenden inneren Säulen des äusseren Ge¬ 
rüstes mussten wegen der am Helme anliegenden Giebel 
noch senkrecht fortgesetzt werden, so dass der Schienen¬ 
kreis, auf welchem sich der Drehträger bewegt, den 
früheren Durchmesser erhielt. Dieser Drehträger bewegt 
sich jetzt über der Gallerie in einer Höhe von 205 Meter 
oder über dem Kirchenpflaster in 88 Meter Höhe. 
Da die acht die Thurmspitze umgebenden Erkpfeiler 
von der Gallerie aus nur 11*4 Meter hoch werden, so war 
es nicht nöthig, die äussersten Ständer des Gerüstes in 
senkrechter Linie fortzuführen; dieselben wurden daher 
in der ersten Abtheilung um 056 Meter eingezogen, in 
der zweiten Abtheilung als Streber für die inneren Säulen 
behandelt. Das Gerüste erscheint daher im Aeusseren 
schon verjüngt. 
Mit diesem Gerüste können die 12 Meter hohen 
Giebeln ganz versetzt werden. Der zweite elektrische 
Aufzug befördert die Werkstücke bis auf die Höhe von 
81 Meter; hat das Mauerwerk diese Höhe erreicht, so 
können die Werkstücke aus der Hand mit dem Flaschen¬ 
zuge noch 6 Meter aufgezogen werden, womit die 
42. Schichte der Thurmspitze erreicht ist. 
Die Gerüstarbeiten wurden von der Firma Grubmüller 
ausgeführt, begannen am 7. März und waren am 20. Mai 
beendet; dasselbe hat inclusive neuem Holze 2600 fl. 
gekostet. 
Mit dem Versetzen der Werkstücke wurde am 15. Mai 
begonnen. Die zur Ueberdachung der offenen Gallerie 
nöthigen Granitarbeiten wurden von Herrn Leopold Heindl 
in Mauthausen fertig bearbeitet geliefert. Dieselben be¬ 
stehen aus 49*5 Currentmeter Rinnsteinen und 67 Quadrat¬ 
meter Dachplatten, zusammen 144 Stücke. 
Die Rinnsteine liegen hinter den 16 Wimpergen der 
Gallerie, ruhen 0’21 Meter auf und springen 0'14 Meter 
nach innen vor die Mauer. Der vorspringende Theil der¬ 
selben wird von 046 Meter hohen theils genieteten, theils 
zusammengeschraubten Eisenträgern unterstützt; dieselben 
wurden von der Witkowitzer Eisenhüttengewerkschaft 
geliefert. Die Dachplatten legen sich mit der unteren 
Seite auf die Rinnsteine, mit der oberen in die zwölfte 
Schichte des Thurmhelmes. Das Wasser wird auf jeder 
Seite des Achteckes durch einen Wasserspeier abgeleitet. 
Die grössten Dachplatten sind 1-60 Meter lang, 0 94 Meter 
breit = L5 Quadratmeter. Nachdem diese schwierige Arbeit 
vollendet war, konnte mit dem Aufbaue der 16 Wimperge 
fortgefahren werden; dieselben enthalten in der Mitte 
einen Kreis mit Dreipass und Rosette, die Deckgesimse 
haben auf jeder Seite vier aus dem vollen Steine heraus¬ 
gearbeitete Krabben, zusammen 128 Stück, und endigen 
in einer 0*87 Meter hohen Kreuzblume. Die Eckpfeiler 
schliessen vorne mit einem reichen Masswerk ab, über 
welchem sich ein Sattelgiebel erhebt, am Rande mit Krabben 
verziert. Auf diese Giebel setzen sich die Schlussfialen auf. 
Nachdem die Bekrönung der Gallerie vollendet war, 
wurde mit dem weiteren Aufbaue der Thurmspitze an¬ 
gefangen. Auf der Ostseite ist eine Thüre angebracht, 
um auf die Dachplatten gelangen zu können; in der 
15. Schichte springen an den Kanten des Helmes starke 
Consolen vor, welche die Gesimse der Giebel aufnehmen. 
Die Giebel erhalten eine 0*86 Meter weite Fensteröffnung 
und sind mit der Kreuzblume 12 Meter hoch. Die Deck¬ 
gesimse sind auf jeder Seite mit acht, zusammen mit 
128 Krabben vorsehen. In der 19. Schichte treten die 
Giebelgesimse auseinander und kommt die Kante des 
Achteckes wieder zum Vorschein. Die hiedurch ent¬ 
stehenden Zwickel sind mit einem grossen Fratzenkopfe 
ausgefüllt. Die glatten Flächen der Helmwände treten im 
Aeusseren um 0*16 Meter zurück, so dass die Kanten 
des Achteckes eine profilierte Leiste, 032 Meter breit, 
bilden, aus welcher in der 23. Schichte die erste grosse 
Eckkrabbe hervorspringt. Von diesen grossen Krabben, 
947 Millimeter hoch, 320 Millimeter breit und 550 Milli¬ 
meter vorspringend, sind 240 Stücke nöthig. 
Bis 15. November 1899 wurde die 31. Schichte des 
Thurmhelmes versetzt. Wenn das Wetter halbwegs günstig 
bleibt, so wird die 32. Schichte noch hinaufgebracht. Die 
einfachen Werkstücke zu derselben sind bereits fertig, 
die acht grossen und 16 kleineren Krabben in der Arbeit. 
Es wurden im ganzen 20 Schichten des Helmes versetzt, 
so dass dieser jetzt an sich 15-08 Meter hoch (ganze 
Höhe bis zum Anfänge des grossen Kreuzes 57-78 Meter) 
und der ganze Thurm vom Kirchenpflaster an 82-6 Meter 
hoch ist. 
Zur Vollendung der Helmspitze sind daher noch 
42-9 Meter aufzubauen. Von den acht steilen Giebeln 
fehlen noch fünf Schichten mit 32 Krabben und den 
Kreuzblumen auf deren Spitze. Diese werden über Winter 
fertig und dann wird die Steinmetzarbeit eine viel ein¬ 
fachere. Die Helmspitze hat in der 32. Schichte noch 
8-2 Meter äusseren Durchmesser gegen 10*84 Meter an 
der Basis. Ueber dem obersten Abschlussgesimse, auf 
welchem das grosse Kreuz stehen wird, hat sie nur mehr 
0-856 Meter Durchmesser. Ueber den steilen Giebeln von 
der 38. Schichte an wird daher mit jeder höhersteigenden 
Schichte das Material und die Bearbeitung desselben 
weniger und so wird es möglich sein, die noch fehlenden 
42*9 Meter in zwei Jahren, das ist bis Ende 1901, auf¬ 
zubauen. Das ^grosse Kreuz auf der Spitze des Thurmes 
wird 7-3 Meter hoch und wird die ganze Höhe des 
Thurmes daher 132-6 Meter, gleich 420 Fuss oder 
70 Klafter betragen. 
Die acht Eckpfeiler sind ganz versetzt. In den 
Schichten Nummer 23, 26, 29, 32 springen die grossen 
Krabben an den Kanten des Achteckes vor. Die acht 
Oeffnungen in deü Giebeln sind mit Masswerk und Spitz¬ 
bogen geschlossen. Mit Schluss der Arbeiten werden 
1816 Stück Werksteine versetzt sein, welche in 1720 Auf¬ 
zügen nebst Mörtel, Wasser und Kalk in die Höhe be¬ 
fördert wurden. 
Gleichzeitig mit der Thurmspitze sollen auch die 
Seite nkapellen neben demselben fertig werden. Diese 
Kapellen sind im Originalplane 6‘64 Meter im Lichten 
weit. Eine dieser Kapellen dient zur Abhaltung von 
Trauergottesdiensten, und da sich herausgestellt hat, dass 
die innere Weite mit 6*64 Meter für die Aufstellung des
	        
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