Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

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durch einen umgefallenen feuerfesten Schrank, welcher 
vermuthlich nicht direct auf der Decke sondern auf den 
Dielen stand. Die sonstigen Beschädigungen der Zwischen¬ 
decken erstreckten sich auf abgefallenen Deckenputz und 
vereinzeltes Abplatzen der Hohlsteine. Die Verbreitung 
des Feuers von Stockwerk zu Stockwerk hat also nicht 
durch sie, sondern nur durch die Aufzugsschächte und 
das Treppenhaus stattgefunden. 
Der Feuerwehr war es nicht möglich, über eine Höhe 
von 40 Meter mit ihren Dampfspritzen das Wasser zu 
schleudern, vielleicht zum Nutzen des Gebäudes, denn 
bei dem heftigen Winde wäre an eine Einschränkung 
des Feuers nicht zu denken gewesen, und es hat sich 
mehrfach gezeigt, dass das Anspritzen die Ummantelungs- 
Materialien nicht vortheilhaft beeinflusst hat. Um die 
Feuerwehr für die Zukunft in die Möglichkeit zu ver¬ 
setzen, auch in den oberen Stockwerken der „Wolken¬ 
kratzer" mit Erfolg löschen zu können, wird in New-York 
angeregt, für die Oitv ein besonderes Wasserversorgungs- 
rohr für Feuerlöschzwecke anzulegen, welches im Falle 
eines Brandes mit den im Hafen liegenden, mit sehr 
starken Pumpen ausgerüsteten Feuerbooten in Verbindung 
gebracht und an welches jeder „Wolkenkratzer" : mittelst 
eines besonderen Steigerohres angeschlossen werden kann. 
Der Gesainmtschaden am Gebäude wird auf 200.000 
Dollar geschätzt. Auf die Neuerrichtung der Hauptfront 
kommen allein 73.000 Dollar. Der Rest der Summe ver¬ 
theilt sich auf das gesammte innere und äussere Holz¬ 
werk, den Anstrich, Dampfheizung, elektrische Beleuch¬ 
tung, Aufzüge, Zwischenwände und die feuergeschützte 
Eisenconstruction mit den Zwischendecken; der Schaden 
an den beiden letzteren ist jedoch im Verhältnisse zum 
Gesainmtschaden so gering, dass derselbe als Null ange¬ 
sehen werden kann. Die wichtigste, aus dem Brande ge¬ 
zogene Lehre ist zweifellos die, dass dem Eisen auf lange 
Zeit durch sorgfältige Verkleidung seine volle Tragfähig¬ 
keit erhalten bleiben kann, und dass poröse Thonhohl¬ 
steine ein ausgezeichnetes Mittel dafür abgeben. II. 
Der bürgerliche Barock-Baustil. 
Die „Münchener Bauzeitung" schreibt: 
In allen Tonarten hört man singen und sagen, dass 
München eine Kunststadt sei, und es wäre thöricht, zu 
leugnen, dass es dieses gewesen. Zu gewaltig war die 
Einwirkung, welches Bayerns kunstsinniger König 
Ludwig I. auf Münchens Ausgestaltung genommen hatte. 
Mit feinem Verständnisse wusste er Talente zu entdecken, 
Künstler an seinen Hof zu fesseln, mit freigebiger Hand 
unterstützte er dieselben in ihrem Schaffen ; es entstanden 
Monumentalbauten, Denkmäler und dergleichen. München 
gieng als Stern erster Grösse am Kunsthimmel auf und 
sein Ruf als „Kunststadt" war begründet., Tausende und 
aber Tausende strömten alljährlich nach München, um 
mit eigenen Augen das Geschaffene zu sehen und anzu¬ 
staunen. Aber schon lange, viel zu lange ist König 
Ludwig I. gestorben und in den Mauern seines geliebten 
Münchens hat sich ein „Auchkünstlerthum" breitgemacht, 
das zu schweren Bedenken Anlass gibt. Die „modernen" 
Künstler haben sich am Karlsplatz ein eigenes Heim ge¬ 
schaffen, das so recht als Wahrzeichen der „modernen" 
Kunststadt nach aussen gelten kann. Staatsbauten, die 
Millionen verschlungen, sind entstanden, und ihr Erbauer 
muss selbst zugeben, dass das Ganze ein Conglomérat 
von allen möglichen und unmöglichen Stilarten ist; mit 
Argusaugen wacht man darüber, dass der alte Trümmer¬ 
haufen, auch Sendlingthor genannt, ja nicht von seinem 
Platze kommt, ebensowenig wie man zugeben kann, dass 
die hässliche Mauer an den Propyläen entfernt werde. 
„Und wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen." So 
hat es auch unser Stadtbauamt unternommen und hat 
sich um „modern" zu sein, den bürgerlich-barocken Bau¬ 
stil geschaffen. Es wurde schon zu viel des Guten in den 
verschiedenen Blättern für und wider denselben ge¬ 
schrieben, sodass es unnütz wäre, mehr Worte noch zu 
verlieren. Doch was geniert die Herren „Auchkünstler" 
das Geschreibe der Zeitungen und die Kritik der Leute. 
Die Herren ^Künstler" sind sich ihrer Werke wohl be- 
wusst und wissen ebenso, dass sich eine Gemeinde frommer 
Nachbeter findet; denn kein Ding ist zu dumm, es findet 
doch sein Publicum. 
Endlich aber wäre es für die maßgebenden Behörden 
denn doch am Platze, mit kräftiger Hand den Augiasstall 
der „Auchkünstler" zu säubern, wenn sie verhindern 
wollen, dass die „Kunststadt" München nicht ganz dem 
Fluche der Lächerlichkeit anheimfällt. Früher schon 
theilten wir unseren Lesern eine Aeusserung des Stutt¬ 
garter Oberbürgermeisters v. Rümelin mit, die er anlässlich 
der Ausschreibung einer Ooncurrenz für einen städtischen 
Monumentalbau machte. Er sagte damals. Münchener 
Architekten möchten der Ooncurrenz fern bleiben. Und 
was man damals in der schwäbischen Hauptstadt dachte, 
dasselbe denkt man auch heute in Hamburg. So schreibt 
der in Hamburg erscheinende „Norddeutsche Baugewerks- 
anzeiger" in seiner Nummer 46: 
„Der neue Baustil: Beefsteak à la Tartar. Bis zu 
welchen Sonderbarkeiten sich der sogenannte bürgerlich- 
barocke Baustil Münchens auszuwachsen vermag, zeigt 
trefflich der Neubau des Sanatoriums in Harlaching bei 
München. Vor die Facade des Hauptgebäudes ist ein 
ganzer Schutthaufen von rothen Dächelchen gebaut, auf 
jedes Dächeichen sind wieder etliche Thürmelcheri und 
Dächelchen gepflanzt und auf diesen kleinen Däch eichen 
befinden sich noch kleinere Dächelchen. Das Ganze sieht, 
von geringer Entfernung aus betrachtet, einer Riesen¬ 
portion Beefsteak à la Tartar mit Senf, Kapern und 
Zwiebeln garniert, verzweifelt ähnlich. Um die Täuschung 
noch drastischer zu machen, erhebt sich mitten in diesem 
rothen formlosen Haufen ein hoher schlanker Kamin : 
das chinesische Eßstäbchen im gehackten Rindfleisch. 
Ueber den Macher dieses wunderlichen Bauwerkes wollen 
wir den Mantel christlicher Liebe breiten." 
Nord und Süd sind sich also einig in ihrem Ürtheil, 
nur in der „Kunststadt" München scheint man den 
Spruch: Discite, moniti (seid gewarnt !) nicht zu kennen 
oder kennen zu wollen, bis vielleicht das: sero medicina 
paratur (dem Kranken muss Heilung bereitet werden) 
ganz plötzlich in entsetzlicher Klarheit vor Augen steht . 
So zeigt es sich eben auch hier, dass grosse Erb¬ 
schaften leichter verbraucht als erhalten oder gar ver¬ 
mehrt werden können. L. 
Aus den G-emeinderaths-Sitzungen in Linz. 
In der am 15. März d. J. stattgehabten Sitzung des 
Gemeinderathes Linz wurde über folgende Bauangelegen¬ 
heiten Beschluss gefasst : 
Gemeinderath Dr. Ober m ü 11 n e r berichtet bezüglich 
Errichtung einer Untersuchungs-Station für Lebensmittel 
und beantragt, der Gemeinderath bewillige zur Errichtung
	        
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