Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 1 1916 (Nr. 1 1916)

gewesen, waren längst zum letzten Gange 
abberufen worden; an die Stelle der 
vornehmsten Aristokratie waren die 
Gattinnen und Freundinnen der ge¬ 
mäßigten Girondisten getreten, welche 
Robespierre jetzt zum Schafott nach¬ 
sandte. In dem Schicksal Rosaliens 
änderte sich nichts, nur ihre hohe Ab¬ 
kunft war längst in Vergessenheit ge¬ 
raten, sie war nichts mehr als die 
„Waise der Gefangenen", die, einem 
heiligen Vermächtnis gleich, von den 
Sterbenden den Ueberlebenden in jenem 
Gefängnisse überliefert wurde. 
Und dann endlich nahm das 
Schicksal des unglücklichen Frankreichs 
eine Wendung. Am 28. Juli 1794 
erlöste die Guillotine die Erde von Ro¬ 
bespierre und feinen Genossen. Der 
Schreckenssturm hatte sich ausgetobt, 
die blutige Republik lenkte allgemach 
in das ruhigere Fahrwasser des Di¬ 
rektoriums ein, aus dessen Schultern 
sich dann bald der erste Konsul, der 
nachmalige Kaiser Napoleon, sieges¬ 
bewußt erhob. 
Die Gefängnisse leerten sich. Auch 
die Pforten der Conciergerie taten sich 
auf; aber die letzten Frauen, welche 
ihre Zelle mit der kleinen Rosalie geteilt hatten, waren 
nur kurze Zeit im Gefäuguiffe gewesen; sie hatten jetzt, 
wo die goldene Freiheit winkte, anderes im Sinn, als 
die „Waise der Gefangenen" mit hinauszunehmen. Die 
Kleine weinte und sträubte sich, als der neuernannte 
Inspektor kam und Befehl gab, das Kind aus der Zelle 
zu führen und einem Findelhaufe zu überweisen; sie 
hatte den Aufenthalt des Schreckens, in dem sie nur 
Beweise liebevoller Sorgfalt erfahren, in dem sie von 
hundert Müttern, welche ihre eigenen Kinder hatten ver¬ 
lassen müssen, gehätschelt, geküßt und gepflegt worden 
war, liebgewonnen. Da trat die zufällig anwesende 
Wäscherin des Gefängnisses herzu und bat: „Ueberlaßt 
mir die Kleine! Ich will sie halten wie mein eiqenes 
Kind!" 
Einer der Wärter lachte. „Aber Madame Bertot, 
Ihr klagtet ja erst jüngst, daß Ihr nicht wüßtet, wie Ihr 
Eure fünf Kinder satt machen solltet und wollt Euch 
jetzt ein sechstes aufladen." 
„Laßt nur, Bürger!" entgegnete die Frau ruhig 
und zog die Kleine an sich. „Wo fünf ihr Brot finden, 
wird das sechste nicht verhungern." 
Dem Inspektor gefiel die Frau. Vielleicht war 
ihm auch bequem, durch ihr Anerbieten weiteren lästigen 
Schreibereien und Nachforschungen überholt zu werden, 
kurz und gut: Rosalie wanderte mit Frau Bertot in 
deren dürftiges Heim, Sie hatte kein schlechtes Los ge¬ 
zogen ; die brave Frau machte keinen Unterschied zwischen 
ihrem Pflegekinde und ihren übrigen Kindern, sie erzog 
sie mit diesen einfach und sittsam, in Arbeit und Ent¬ 
haltsamkeit. — — (Schluß folgt.) 
Arzlierzog-Thronlotger Karl Kranz Iosef öei den Tiroler Standschützen. 
Tiroler Slandschützen sind vielfach Bergführer. Der zweite Schütze von rechts auf unserem 
Bade i|t der Bruder des sich hervorragend ausgezeichneten Bergführers Sepp Jnnerkofler aus 
Sexten, der gefallen ist. 
König Peters Unteroffizier. 
Vom serbischen Kriegsschauplatz wird uns geschrieben: 
In einem in deutschen Händen befindlichen Lazarett im 
Herzen Serbiens waltet ein prächtig gewachsener, schwarz- 
nnd zum Beweis, wie sehr er 
dem Lande Kaiser Wilhelms ver¬ 
traue, führt er gern ins Feld, daß 
er in Hamburg auf einer Bank feine 
Ersparnisse von 6000 Mark liegen 
habe. Seit Kriegsausbruch hat er 
den Kellnerfrack mit dem braunen 
Waffenrock vertauschen müssen und 
ans seiner Achselklappe blinken zwei 
Sterne, die Abzeichen des königlich 
serbischen Unteroffiziers. Von dieser 
seiner militärischen Würde spricht er 
jedoch mit ausfälliger, dem kriegerischen 
Stolz der Serben so gar nicht gerecht 
werdender Geringschätzung. Aber das 
hat seine Ursachen, über die sich der 
aufgeweckte Bursche folgendermaßen 
selbst ausläßt: „Was hab ich vom 
Unteroffizier, wenn ich, so lang der 
Krieg dauert, noch keinen Heller 
Löhnung hab' bekommen! Und oft 
nix zu essen und nix zu trinken! Was 
soll ich da mit Unteroffizier?" Das 
sind freilich schwerwiegende Gründe, 
die des Königs Peter wohlbestallten 
Unteroffizier schließlich dazu trieben, 
sich zu seinen alten Freunden, den 
Deutschen, hinüberzuretten. Und diese 
Tat vollführte er auf nicht gerade all¬ 
tägliche Art und Weise. 
Eines Tages bot sich ihm günstige Gelegenheit, un¬ 
bemerkt von seiner Truppe „abzukommen". Nachdem er 
sich so vor seinen Untergebenen in Sicherheit gebracht 
hatte, überkletterte er in mühseligem Marsche hohe Berg¬ 
kegel, kroch durch enge, von Wildbächen durchbrauste 
Schluchten und nährte sich von Maiskörnern und rohem 
Weißkohl. 
Um seine Alleinwanderung etwas unauffälliger zu 
gestalten, legte er seinen rechten Arm in eine um den 
Hals geschlungene Binde. Am dritten Tage seiner Flucht 
wäre er fast einer bulgarischen Reiterpatrouille in die 
Arme gelaufen. Obwohl er infolge der erlittenen Ent¬ 
behrungen dem Zusammenbruch nahe war, zog er 
es doch vor, sich den Augen der mit den Deutschen 
gemeinsam kämpfenden Bulgaren zu entziehen. Erst nach 
zwei Tagen weiterer Irrfahrten gelingt es dem Flüchtling 
endlich, eine deutsche Kavallerieabteilung zu Gesicht zu 
bekommen. 
Da reißt er freudig bewegt seine weiße Binde 
vom Arm und winkt damit der heransprengenden Reiterei 
zu, die ihn als Ueberlänfer in ihre Mitte nimmt. So 
hat er das Ziel feiner Sehnsucht erreicht und seine 
Sprachkeuntnisse haben dem stets eifrigen und gefälligen 
Serben den schon erwähnten angenehmen Posten im 
Lazarett verschafft. 
Auch dieses versichert der serbische Deutschenfreund 
schon heute mit der ganzen Kraft seiner innersten Ueber¬ 
zeugung: 
„Wenn Serbien ist entzwei und Krieg hat ein 
End', ich reise mit deutsche Soldat nach Deutschland!" 
Das neue Jahr! 
Krieg! Weltbrand! furchtbar Ringen! 
Zum Himmel steigt die Glut 
Der jäh entfachten flamme, 
Zum Himmel raucht das Blut, 
Das Blut zahlloser Opfer, 
Zum Himmel dringt empor 
Das flehn der Weltbeajohner 
im ITlillionenchor: 
Doh Gott es enden wolle 
Dies Ringen — für die Zeit, 
Die Zeit, die unaufhaltsam 
Hinrollt zur — Einigkeit! 
0 Pilger dieser €rde, 
Wie leid ihr eitel, blind! 
Der Herr, der sprach das „Werde!“, 
Ruft oft das Menschenkind 
Gar schnell mit einem Winke 
flus diesem Weltgebraus, — 
Drum zaudert nicht, zu suchen 
Den Weg zum — Vaterhaus! 
Das neue Jahr, es reiche 
Die friedenspalme euch, 
Rur friede führt zur freude 
im eto’gen Heimatreich. 
haariger Sohn dieses merkwürdigen Landes seines Amtes 
als Dolmetscher zwischen den deutschen Aerzten und 
Pflegern einerseits und den serbischen Verwundeten 
anderseits. Mit Eifer erzählt er jedem, der es wissen 
will, daß er mehrere Jahre als Kellner in Deutschland 
lebte. „Deutschland über alles" sei auch sein Wahlspruch 
(nachdr uerb.) 
Hermine Profchko. 
Zrvei verstorbene 
Johann Hleitinger 
Stadtpfarrkooperator in Wels 
geboren 1887 in Dorf an 
der Prarn, Priester 1910, ge¬ 
storben 8. Dezember 1915. 
Ciözesanpriefter. 
Anton WenmMer 
Pfarrer t. P. von Dorf, Geistlicher 
Rat, Ehrenbürger von Dorf 
geboren 1846 zu Hellmonsödt, 
Priester 1871, plötzlich ge¬ 
storben 15. November 1915. 
Das Kreuz uoran! 
(Flachdruck verboten.) 
Cinft zogen sie auch die Berge hinan, 
Um dort zu erspähen den feind, 
sin Kuttenträger mit dem Kreuz voran 
Hat sie zum Kampfe vereint. 
Und der fldler erhob sich. 
5lieg’, fldler! flieg’! 
Heil fand Tirol, 
Dir ward der Sieg! 
Und wiederum steht die getreue Wacht 
flus der Berge schneeblinkenden Höhn. 
Doch diesmal gilt’s eine Uebermacht 
ln ungleichem Kampf zu bestehn. 
Uoran mit dem Kreuz, 
Run, fldler! flieg’! 
Heil fand Tirol, 
Dein ist der Sieg! 
ln dir ist Oesterreich.
	        
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