Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 43 1915 (Nr. 43 1915)

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Konnlag, 28. Movemöer 
Mitgefühl. 
Von Hermann Weber. 
Ein stiller Frühlingsnachmittag. Der Himmel ist 
blau und wolkenleer. Die Sonne scheint warm hernieder 
und ihre Strahlen wecken allenthalben neues Leben. Es 
sprießt und grünt, wohin sich das Auge wendet. 
Noch tobt zwar 
draußen der Weltkrieg 
und kein Mensch weiß, 
wann das gewaltige 
Ringen ein Ende nimmt 
— aber der Frühling 
sendet doch seine Grüße 
hinaus, damit die be¬ 
drückten Erdenkinder 
neu aufatmen und 
frische Hoffnung fassen. 
Auch mich hat der 
helle Sonnenschein hin¬ 
ausgelockt. 
Langsam schreite 
ich durch die Straßen 
und betrachte mit be¬ 
sonderem Interesse 
eine Gruppe von fünf 
Männern, die aus 
drei älteren Landwehr¬ 
leuten und zwei Mili¬ 
tärkraftwagenführern, 
beide mit dem Eiser¬ 
nen Kreuz geschmückt, 
besteht. 
Diese fünf Kriegs¬ 
kameraden sprechen 
lebhaft durcheinander 
unb ihre Augen leuch¬ 
en babei — wahr¬ 
scheinlich reben sie über 
rohe ober ernste Stunden des riesenhaften Kampfes — 
ba plötzlich schweigen sie unb ihre Gesichtszüge werben 
still unb ernst. 
Ich folge ber Richtung ihrer Augen unb sehe, daß 
aus einer Nebenstraße langsam ein junger Soldat auf 
zwei Krücken nähergekommen ist. 
Dieser Solbat ist gewiß ein Kriegsfreiwilliger, bettn 
er zählt keinesfalls mehr als achtzehn Jahre. Wohl ist 
er von kräftigem Körperbau, aber fein Gesicht ist noch 
knabenhaft zart unb weiß, ohne jeben Anflug eines 
Bartes. 
Noch trägt ber Jüngling bie felbgraue Uniform, bie 
beutliche Spuren von Schmutz unb Nässe in bett 
Schützengräben zeigt — boch ber junge Tapfere wird 
nie totebet in bie Reihen feiner kämpseuben Kameraden 
treten, benn bas linke Bein ist ihm genommen!... 
(Nachdr. Verb.) Der junge Solbat scheint ben harten Verlust, bet 
ihn betroffen, selbst schmerzlich zu fühlen, benn trübe 
Gebankeu lagern auf seiner Stirn und feine Augen 
haften am Boben. So verfolgt er langsam feinen Weg; 
nur selten blickt er auf währenb seines mühseligen Da- 
Kine Aekdmesse Bei de« österreichischen Dragonern. 
hinwanberns. Wer weiß, vielleicht sieht es trostlos aus 
in seiner Seele, bie schon so viel herbes Leib hat kosten 
müssen. 
Nun ist ber Solbat bei ber Gruppe ber Kanteraben 
angelangt unb will nach flüchtigem Blick vorüberschreiten 
— ba fliegt bei bett fünf Männern wie auf Kommanbo 
bie Hanb zum Gruß an bie Mütze. 
Stramm stehen sie ba, alle fünf, bie Landwehrleute 
mit langem Bart unb bie Kraftwagenführer mit beut 
Eisernen Kreuz — stramm unb unbeweglich, als gelte 
es, einem hohen Vorgesetzten bie Ehrenbezeigung zu er¬ 
weisen. 
Unb tief ergreifenb sieht es aus, wie biese fünf kriegs¬ 
erprobten Männer betn verkrüppelten, knabenhaft jungen 
Kametaben ihre Hochachtung bezeigen, währenb in ihren 
Augen ein tiefes Mitgefühl zu lesen ist! Es ist ein An¬ 
blick, wie man ihn so leicht nicht wieber vergißt. 
Der plötzlich wie ein Helb begrüßte junge Invalide 
ist einen Augenblick überrascht stehen geblieben; dann 
fliegt es wie Sonnenschein über feine Züge, ferne Brust 
atmet tiefer und feine Lippen zucken in schmerzlich-froher 
Bewegung. Dankbar 
nickt er nun ben mit- 
fühlenbett Männern zu 
unb grüßt wieber, so 
gut er kann. 
Daun hinkt er lang¬ 
sam weiter, boch bie 
trüben Schatten, bie 
soeben noch auf feiner 
Stirn lagerten, haben 
sich versuchtet. 
Lebhafter blickt ber 
Jüngling um sich, zur 
Sonne schaut er em¬ 
por unb seine Gestalt 
reckt sich in neuer Zu¬ 
versicht höher auf. 
O, er verschweigt 
sich nicht, baß fein 
ferneres Leben müh¬ 
selig unb voller Be¬ 
schwerben sein wirb 
— aber er fühlt auch, 
baß er noch überall 
Menschen finbet, bie 
frembes Leib mitemp¬ 
finden, und die nie 
vergessen werden, daß 
auch er, tapfer und 
opferwillig, mitgear¬ 
beitet hat an der Ver¬ 
teidigung des lieben 
Vaterlandes. Er weiß, daß starke Hände ihn stützen, 
daß Mitleid und Menschengüte die Wunden linbern 
werben, bie ber Krieg geschlagen! 
AmAEit : ": 
Hanny Brentano schreibt in ber „Reichspost": Mit 
ber fehlenden Vaterlandstreue nicht zu verwechseln ist bie 
starke Heimatliebe ber russischen Bauern. Diese Heimat¬ 
liebe iit einer ber sympathischesten Züge in ihrem Wesen. 
Sie hängen mit ganzem Herzen an ihrem heimatlichen 
Dorf, an ihrer armseligen Hütte, an ben Acker, ben sie 
seit ihren Knabenjahren bebauten, an beut hohen Nabel« 
walbe, burch ben sie stunbettlang wandern können, an ber 
Englische Krauen im Kriegsdienst: Kin iveilil'iches Sanitalskorps.
	        
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