Volltext: Der Spaßvogel 1927 (1927)

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Eine Kleinstadtgeschichte von Irz. Mann. 
W. 
(Nachdruck verboten.) 
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J.err Franz Seraph Lampl, galt nicht 
AI nur für den ersten Geschäftsmann, 
A sondern auch für den ersten Geiz— 
hals in Kindelsingen. Eigentlich war 
er ein höherer Tändler, denn er kaufte 
alles, sowohl alte Häuser wie alte Schuhe 
und alles, was dazwischen lag, und wußte 
das Schadhafte, geflickt und neu aufgeputzt, 
immer wieder mit gutem Profit an den 
Mann zu bringen. Woran im Städtchen 
noch kein Mensch gedacht hatte, das ver— 
suchte er. Jedem pfuschte er ins Handwerk 
und Geschäft. sogar dem Gärtner und 
Bauer. So kam er eines Tages auf den 
Gedanken, als erster eine Spargelkultur an— 
zulegen, weil mit diesem feinen Gemüse in 
der Stadt stets hohe Preise zu erzielen 
waren. Da aber die Anlage viel Mühe 
und Sorgfalt erforderte, Herr Lampl Ar— 
beitslöhne sparen und alles selber machen 
wollte, so wollte das Ding, wie so manche 
spekulativen Unternehmungen, nicht recht 
glücken und ehe er im dritten Jahre die er— 
sten Schossen stechen konnte, hatte er die 
Lust daran verloren. Lange auf die Früchte 
einer Arbeit zu warten, besaß er keine 
Geduld, er mußte immer Geld sehen, und 
mit dieser leidenschaftlichen Gier zersplit— 
terte er sich in tausend Kleinigkeiten, ohne 
je das Ganze zu übersehen. Längst war 
es den Kindelsingern zweifelhaft geworden, 
ob er es auf diesem Wege wirklich zu 
einem Vermögen bringen werde und allzu 
große Hoffnung machte sich auch der un— 
verschuldet verarmte, reich mit Kindern ge— 
segnete Zimmermeister Rudolf Vies nicht, 
der einzige noch lebende nähere Verwandte 
Lampls, der den Geizhals einmal beerben 
mußte. Er zog es vor, sich mit eisernem 
Fleiße, so gut es ging, durchs Leben zu 
schlagen und kümmerte sich nicht allzu viel 
um den egoistischen Vetter. — 
Gleichwohl kam eine Stunde, in der 
die beiden sich wieder näher treten sollten. 
Der kinderlose. unverheiratete Krämer, der 
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den ganzen Tag auf Filzschuhen und in 
einem langen Schlafrock gehüllt, im Hause 
umherschlich, im Laden wie in der Küche 
selbsft kommandierte und alles mit Argus— 
augen überwachte, galt in den Augen seines 
Personals längst als ein männlicher Drache, 
mit dem man nur kurze Zeit auskommen 
konnte. Ein Dienstbote nach dem anderen 
kam, hungerte und ging. Zuletzt konnte 
Herr Lampl trotz allen Suchens kein weib— 
liches Wesen mehr finden, das ihm die 
Wirtschaft führen wollte. Da fiel ihm in 
seiner Verlegenheit der Vetter Ries ein, 
dessen älteste Tochter Hedwig ja ein gutes, 
braves, fleißiges Mädchen war, das ganz 
für seine Zwecke paßte. Die mußte ihn aus 
der Not erlösen! Das achtzehnjährige, mun— 
tere Kind war von dem Anerbieten des 
Krämers keineswegs erbaut, aber da man 
doch immerhin Rücksicht auf die einst zu 
erwartende Erbschaft zu nehmen hatte, 
mußte sie sich dem Willen des Vaters fü— 
gen und den Dienst in dem gefürchteten 
Hause antreten. Herr Franz Seraph Lampl 
stellte einen wohlausgeklüͤgelten Kontrakt 
mit unzähligen Paragraphen auf, und der— 
jenige, welcher der hübschen Hedwig am 
meisten mißfiel, machte sogar ihre even— 
tuelle Verheiratung von seiner Erlaubnis 
abhängig. Da aber ihr Herz noch frei war 
und sie einstweilen nicht ans Heiraten 
dachte, so setzte sie schließlich doch ihren 
Namen unter das Wachwerk und zog in 
das Haus des Onkels ein. 
Auf Rosen war sie dort nicht gebettet, 
aber ihr stets guter Humor half ihr über alles 
hinweg. Sie wußte den übelsten Sachen 
immer noch eine komische Seite abzugewin— 
nen und der Neid und Geiz des Onkels 
amüsierte sie mehr, als er sie ärgerte. 
Besonderen Grund zur Fröhlichkeit gab 
ihr eines Tages der unerwartete Besuch des 
Herrn Hartmuth Wagner, eines jungen 
Kaufmannes, der während des letzten Som— 
mers im Hause ihres Vaters zu seiner
	        
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