Volltext: Der Naturarzt 1891 (1891)

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mit dem Koch'schen Mittel: „Es ist ein gewagtes Wort, das ich ausspreche, 
aber es ist Thatsache, daß es Gesunde, Nichttuberkulöse giebt, bei welchen 
die Reaktionen eben so heftig auftreten, wie bet Krankem Andererseits 
giebt es auch kranke Personen, bei welchen die Tuberkulose auf anderem 
Wege unzweifelhaft festgestellt ist, und die doch nicht reagieren." 
„Es scheint aber, daß die Wirkungen des Mittels von einer inviduel- 
len Disposition des Menschen abhängen, mag nun derselbe gesund 
oder krank sein. (Damit ist es mit dem Wert des Mittels für die Diagonase 
d. h. Erkennung der Tuberkulose, nichts! wenn auch Professor Schnitzler nur meint, 
der Wert sei „becmirä btigt.") 
Dann weist Prof. Schnitzler auf die zweite Schwierigkeit hin, nämlich 
die Bestimmung der Dosis, der sich auch dieser gegenüber die Menschen durch 
aus verschieden verhalten. Er mahnt zur größten Vorsicht, namentlich bei 
Kehlkopf- und Lungenkranken. Eine größere Dosis könne leicht eine so 
bedeutende Schwellung des Kehlkopfes verursachen, daß sofort zur Tracheoto 
mie (Halsschnitt) geschritten werden muß.*) Bet Lugentuberkulose könne Lun 
genödem (Lungenwassersucht, welcher in der Regel Lungenlähmung folgt) ein 
treten. ,,Die Berliner Aerzte sind wiederholt durch stürmische Reaktionen, 
die in manchen Fällen mit langanhaltender Bewußtlosigkeit verbunden 
waren, überrascht worden." Inzwischen hat auch Prof. Kaposi (Men) fest 
gestellt, daß sowohl Lepra- (Aussatz-) Kranke, wie Syphilissche auf das 
Koch'sche Mittel reagierten, während festgestellt Tuberkulose nicht rea- 
, gierten. (Also ist das Mittel für die Diagnose unbrauchbar!) 
Ein noch vernichtenderes Urteil über das Koch'sche Verfahren hat 
der berühmte italienische Kliniker Prof. Semmola (Neapel) abgegeben! Nach 
dem „Deutschen Tageblatt" vom 28. November äußerte er: „Mit der Zerstö 
rung von 10 oder 20 Tuberkelknötchen sei insbesondere hinsichtlich der Lungen 
tuberkulose nichts erreicht. Ein Schwindsüchtiger bleibe Schwindsüch 
tiger nach wie vor, und zwar mit dem erschwerenden Umstande, daß 
die nicht ausgeschalteten, durch die Lymphe zum Absterben gebrach 
ten Gewebe neue gefährlichere Infektionsherde (Ansteckungsherde) 
bilden würden. Von chirurgischen Eingriffen sei leichter zu 
reden, als sie durchzuführen." „Seiner, Semmola's, Ansicht nach werde 
die Lungentuberkulose geheilt werden können, wenn cs möglich sein 
würde, durch gründliche Umgestaltnng des biochemischen (lebengestalten 
den) Ernährungsprozesses des Kranken tuberkulöse Neubildun 
gen zu verhindern oder aufzuhalten. Vorläufig müsse sich der Arzt, 
auch wenn man Koch's Flüssigkeit besondere diagnostische Eigenschaften zuerkennen 
wollte (daß sie diese nicht hat, zeigen oben Schnitzler's,Kaposi's re. Erfahrungen!), mit den 
Mitteln bescheiden, durch welche die Therapie (Krankenbchandlung) viele 
glänzende Erfolge erzielt hat! mit der klimatischen und hydro- 
therap'schen (Wasserheil-) Kur! (Dazu sagen wir bravo, bravissimo!) 
Wir können damit unsere Quellenauszüge abschließen und zu einem eige 
nen Urteil schreiten. 
Koch's Kur ist eine echt medizinische, durch ein scharfes, in die Blut 
wege des Körpers unmittelbar eingeführtes, bisher seinem genaue 
ren Wesen und Gewinnung noch noch nicht öffentlich bekanntes Gift! 
Wir Anhänger der Naturheilkunde misten daher, daß eine volle endgil- 
tige Heilung auf diesem Wege überhaupt nicht zu erzielen ist. 
*) In der Levy'scken Klinik sollen nach Zeitungsnachrichten bis jetzt schon mehrere Kehl- 
kopstub erkulose nach der Koch'schen Kur ihrem Leiden erlegen sein. In Stuttgart starben 
in einer Woche drei!
	        
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