Volltext: Der Naturarzt 1890 (1890)

41 
zubereitet, und man wird sich durchaus nicht über Mangel an Abwechslung 
beklagen können, wenn man bedenkt, daß es über 2000 Pflanzenarten gibt, 
die sich zur menschlichen Ernährung eignen. Die fleischlose Diät ist angezeigt 
bei verschiedenen Nervenleiden (insbesondere bei Epilepsie), sowie allen infolge 
unmäßiger, falscher Ernährung hervorgerufenen Krankheitsformcn, in erster 
Linie bei Magen- und Darmlciven. 
Es erübrigt nur noch, eimge Worte über Milch-, Molken-, Kumys- und 
Traubenkuren zu sprechen. 
Die Milchkuren bestehen in 'einer durch längere Zeit fortgesetzten 
ausschließlichen oder fast ausschließlichen Milchdiät. Die erste Methode einer 
systematischen Milchkur wurde von Dr. Karell in St. Pertersburg angegeben. 
Der Kranke beginnt mit i / s bis 1 Glas frischer, abgerahmter Milch von mit 
Grünfutter und Heu im gut gelüfteten Stalle oder im Freien weidenden 
gesunden Kühen, und zwar in der Dosis von lüO bis 180 Gr Nach und nach 
wird mit der Dosis gestiegen. 
Auf der Höhe der Kur wird von 8 Uhr morgens an, viermal in vier 
stündigen Zwischenräumen getrunken, und zwar in der Gesamtdosis von vier 
Liter den Tag. Das Trinken muß langsam geschehen, die Temperatur richtet 
sich nach dem Geschmacke des Kranken. Tritt Verstopfung ein, werden Clistiere 
gegeben oder gekochte Pflaumen. Bei großem Durste kann man Wasser oder 
Selterswasser trinken lassen; bei größerem Appetit kann man nach der zweiten 
Woche altbackenes Weißbrot und eine Milchgriessuppe geben. Nach vier bis 
sechs Wochen läßt man die eine Milchgabe weg und gibt eine paffende, leicht 
verdauliche Speise. Alle anderen Milchkuren - Systeme sind nur Spielarten 
des Karelischen und leisten im Wesentlichsten dasselbe. Angezeigt ist eine 
Milchkur bei Wassersucht, Emphysem und Lungenkatarrh, sowie bet hartnäckigen 
Durchfällen. Gute Dienste leistet sie auch bei Leberkrankheiten, Darmkatarrhen, 
Zuckerruhr, Bright'sche Nierenkrankheiten und bei Herzkrankheiten. Auch bei 
akutem Gelenk-Rheumatismus, sowie insbesondere bei chronischen Magen 
geschwüren haben Biot, Lebert und andere schöne Ergebniffe mit ausschließlicher 
Milchdiät erzielt. 
Manche Personen vertragen nur gekochte, andere nur frisch gemolkene, 
wieder andere nur saure Milch, welch letztere auch die so sehr gewünschte 
Wohlbeleibtheit bei Damen herbeiführen soll. Man muß mit dieser instinkt 
mäßigen Abneigung rechnen und sich nach ihr richten. Sollte sie zuerst nicht 
vertragen werden, muß sie als Mflchsuppe mit Semmelzusatz oder verdünnt 
mit Zuckerwasser, Gersten-, Hafer-Abkochung verabreicht werden, und beginne man 
vielleicht mit eßlöffelweisen Gaben und steige dann beständig mit der Dosis. 
Die Molke ist Milch ohne Casein, und Molkenkuren sind schon seit lange het 
gegen Lungentuberkulose und gegen alle chronischen Erkrankungen der Atmungs 
organe mit mehr oder weniger Glück angewendet worden. Die Molke ist ein 
mildes Anregungsmittel des Stoffwechsels, sowie der Aufsaugung und Aus 
scheidung der Nieren und des Darmes. Für Phtisiker eignen sich am besten 
die Schafmolke, die Ziegenmolke, ebenfalls für Brustkranke erfordert eine gute 
Veroauung. Die Kuhmolke eignet sich zur Anregung der Aufsaugung des 
Darmes, der Leber und der Nieren ^ie Dosis der Molke schwankt zwischen 
200—1000 Gramm täglich. Daß bei Milch- und insbesondere bei Molkenkuren 
in erster Linie die günstige Lage des Kurortes, mehr südliches, von rauhen 
Niederschlägen verschontes Klima, eine einfache, reizlose Diät, sowie die 
Gelegenheit zu angenehmen körperlichen Bewegungen die mächtigsten und 
wichtigsten Faktoren bilden, braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden. Die
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.