O. B. Ost: Winterschlacht an der 21«.
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und stellte damit eine operative Bedrohung dar. Brach der Gegner hier
ein und gelang es ihm gar, den wichtigen Bahnknotenpunkt Mitau zu
nehmen, so konnte er die gesamte deutsche Düna-Front bis über Jakob-
stadt hinaus ins Wanken bringen. Weite Sumpfstrecken vor der deutschen
Front beiderseits der Aa schloffen solchen Angriff während des größten
Teiles des Jahres aus. Daher waren hier als Gruppe Mitau unter
Generalleutnant von Pappritz (Generalkommando z.b.V. 60, Chef des
Generalstabes Oberst Nehbel) nur schwache, im wesentlichen aus Landwehr
und Landsturm bestehende Truppen eingesetzt, insgesamt 48 Bataillone und
316 zum Teil unbespannte Geschütze älterer Art (davon 115 mittlere und
schwere). Auch der gegenüberstehende Feind, Teile der russischen 12. Armee
des Generals Nadko Dmitrijew, war — soweit man wußte — nicht stark; er
bestand zum großenTeile aus neugebildeten lettischen Freiwilligen-Truppen").
In dem unübersichtlichen Wald- und Sumpfgebiet bestand die vor-
berste deutsche Stellung aus Befestigungsgruppen auf hohen Sanddünen,
zwischen denen in den Niederungen auf den Boden aufgesetzte Stützpunkte
und Blockhauslinien mit flankierten Hindernissen die Verbindung herstellten.
Einige Kilometer weiter rückwärts verlief eine noch wenig ausgebaute
Zweite Stellung. Seit Ende Dezember hatte der Frost alle Wafferläufe
und Sümpfe gangbar gemacht und damit der Stellung ihren Schutz ge-
nommen. General von Pappritz hatte Reserven erbeten, die ihm aber, da
auch beim Gegner keine Verstärkung erkennbar war, angesichts der Gesamt-
läge nicht gegeben wurden. Am 31. Dezember beurteilte er die Lage dahin:
„Feind rein defensiv, zeigt vermehrte Schanztätigkeit, hat das leidlich
kampfkräftige VI. sibirische Korps aus der Front herausgezogen". Nach
Gefangenenaussagen nahm man an, daß das Korps nach Rumänien ab-
befördert werden sollte, während an seine Stelle das aus Landwehr be-
stehende XXXXIII. Korps getreten sei.
Abwehr des russischen Angriffs.
Auf russischer Seite hatte der Oberbefehlshaber der Nordfront,
General Rußki, bereits Mitte Dezember den Entschluß gefaßt, das Frost-
Wetter zum Angriff auf Mitau auszunutzen. Er wußte, daß dort in weit-
gedehnten Stellungen nur schwache deutsche Tmppen zweiter Ordnung
standen. Für den Angriff wurde die 12.Armee unter General Radko
Dmitrijew unauffällig auf 184 Bataillone mit 886 Geschützen gebracht,
während man ihr gegenüber nur 66 deutsche Bataillone mit 568 Geschützen,
') Seit Herbst 1915 waren in ihrem Heimatgebiet besondere lettische Bataillone
aus russischen Wehrpflichtigen aufgestellt worden, die bis zum Januar 1917 auf zwei
Brigaden angewachsen waren.