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Die Karpaten-Offensive.
war ihm bei den geringen Kräften, mit denen er unternommen wurde, nicht
zuzumessen.
Inzwischen hatte sich ohne inneren Zusammenhang mit diesen Kämpfen
die deutsche Südarmee weiterhin vergeblich an der durch neuen Kräste-
einsatz der Russen immer schwieriger gewordenen Aufgabe abgemüht, in
ihrem Abschnitt den Ausgang der Karpaten-Päffe zu gewinnen. Der von
ihrem Oberkommando mehrfach erbetene Flankendruck des Westflügels der
Armeegruppe Pflanzer-Baltin in Richtung auf Dolina, durch den die
Ausgabe der Südarmee wesentlich erleichtert werden konnte, kam bei der
fächerartig auseinandergezogenen Aufstellung der Armeegruppe nur ganz
vorübergehend und unvollkommen zur Wirkung. Anfang März schon sah
sich auch der Westflügel des Generals v. Pflanzer-Baltin völlig in die
Defensive gedrängt.
Cs fragt sich, ob nach dem schon Anfang Februar erkennbar gewor¬
denen Scheitern der ersten Karpaten-Offensive statt der Wiederaufnahme
des Angriffs an derselben Stelle und in den gleichen Richtungen wie beim
ersten Versuch nicht eine neue Offensivoperation auf veränderter Grund¬
lage vorzuziehen gewesen wäre. Bei den schon geltend gemachten Bedenken
gegen eine weit ausholende Amfassungsbewegung von Ostgalizien her kam
nur eine Offensive aller irgend verfügbar zu machenden Kräfte aus dem
Raume der 4. Armee in der galizischen Ebene zwischen Beskiden und
Weichsel in Betracht, also ein rein frontales Vorgehen gegen eine Stel¬
lung, die jetzt vielleicht nicht mehr von ganz so starken Truppen als Ende
Januar besetzt war, der aber doch sicherlich sehr erhebliche Widerstands¬
kraft innewohnte. Möglicherweise gelang es, den Feind allmählich ein
Stück nach Osten zurückzudrücken, weiterreichende operative Erfolge aber,
wie der jetzt als Ziel ganz in den Vordergrund gestellte Entsatz von
Przemysl, waren unter den vorliegenden Verhältnissen auch an dieser
Stelle kaum zu erhoffen. Ein gleichzeitiger Durchbruch der Russen durch
die inzwischen geschwächte Karpaten-Front nach Angarn hätte für das öster¬
reichisch-ungarische Heer in Westgalizien eine überaus schwierige Lage ge¬
schaffen und seine Offensive jedenfalls sehr schnell zum Stillstände gebracht.
Rückschauende Betrachtung führt daher zu dem Ergebnis, daß es wohl
das Veste gewesen wäre, nach dem Mißerfolg der ersten Karpaten-Offensive
von der Wiederaufnahme des Angriffs überhaupt Abstand zu nehmen
und Przemysl seinem Schicksal zu überlaffen. Niemals durste der Entsatz
der Festung zum Leitgedanken der Operationen werden. Wenn General
v. Conrad dann trotz der aussichtslos gewordenen Lage der Festung
Przemysl, ja selbst noch nach deren Fall auf der Fortsetzung der Offensive,
freilich in mehr methodischem Kampfversahren, verharrte, so entsprang dieser