Cadornas Angriffsweisungen
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raschenden Angriff einer öst.-ung. Armee auf die noch nicht schlag¬
bereiten Italiener aus dem Hauptquartier Cadornas noch immer nicht ge¬
bannt war. Gegen einen solchen Angriff hätten die Karnische Gruppe
und die zwei Armeen des rechten Flügels die Linie Mt. Peralba—Mt.
Maggiore—Mt. Matajur—Cividale— Campoformido und weiter südlich bis
zum Meer zu halten gehabt.
Als strategische Reserven plante die italienische Heeresleitung das
VIII. Korps (Florenz), dann die aus Mobilmilizdivisionen neu aufgestell¬
ten Korps XIII und XIV an die östlich der Etsch befindlichen Talaus¬
gänge der tridentinischen Front zu stellen, sie aber später, wenn hier
entbehrlich, an die Hauptangriffsfront zu verschieben.
Als der italienische Aufmarsch im vollen Gange war, erließ Cadorna
am 16. Mai den ersten Befehl operativen Inhaltes, durch den die Kar¬
nische Gruppe sowie die 2. und die 3. Armee angewiesen wurden, sich
bereit zu halten, um auf telegraphischen Befehl zum Angriff gegen die
Kärntner Sperren und gegen die Isonzoübergänge vorzubrechen. Bei
diesem ersten Sprung, bei dem die 2. Armee der 3. vorangehen sollte,
war die Besitznahme des Beckens von Karfreit, des Krn, Mrzli vrh, Ko-
lowratrückens, der Jeéa, Korada, dann des Mt. Quarin, Mt. Medea und
weiter der Linie Torrente Torre — Judrio — Unterlauf des Isonzo anzu¬
streben. Obwohl es Cadornas Wunsch war, dieser Aktion den Charakter
eines energischen, überraschenden Einbruches zu geben, waren die ersten
Ziele auffallend nahe gewählt; sie lagen von Tolmein abwärts noch durch¬
wegs auf dem westlichen Isonzoufer. Nur wenn kein starker Widerstand
gefunden wurde, plante er, im unmittelbaren Anschluß an den ersten
Sprung den Isonzo überschreiten zu lassen, wobei wieder die 2. Armee
im Angriff auf die Hochfläche von Bainsizza vorangehen sollte, um der
in der Staffel rechts nachfolgenden 3. Armee die Besitznahme des Görzer
Beckens und der Hochfläche von Comen zu erleichtern. Auch eine Lan¬
dung mit vier älteren Kreuzern in der Bucht von Triest war zur Unter¬
stützung des rechten Heeresflügels vorgesehen. Doch schreckten Gerüchte
über die österreichische Minensperre die Italiener dann von der Ausfüh¬
rung ab. Die 4. Armee wurde am 16. Mai neuerlich zum Einbruch in das
Pustertal angewiesen.
Am 22. Mai wurde die allgemeine Mobilisierung angeordnet, der
eigentlich nur noch für die Pferdebeistellung und Aufbringung von Trans¬
portmitteln praktische Bedeutung zukam. Am gleichen Tage erließ das
italienische Höchstkmdo. von Rom aus telegraphisch den Befehl, um
Mitternacht vom 23. auf den 24. Mai die Feindseligkeiten zu eröffnen.