Volltext: Almanach der feinen Küche

16 Wie kann man gut und reizvoll kochen 
Bett einzunehmen, was er aufs höchste genoß. Dann stand er ge 
mächlich auf, und es gelang ihm gerade noch, zum Mittagessen fertig 
zu sein. 
So ging es ungefähr drei Monate lang. Eines Tages jedoch, als 
er verspätet, das Omelett ledern und die dicke Köchin empört war, 
kam ihm eine Erleuchtung: Warum stand er eigentlich zum Mittag 
essen auf? Tags darauf verließ er sein Bett erst zum Abendessen. 
Auf diese Weise verlief sein Leben sehr angenehm. Er aß vortreff 
lich, bewegte sich nicht, las hin und wieder ein gutes Buch, schlief 
und erfreute sich zuweilen an der Unterhaltung mit ein paar Freun 
den. Neben seinem Bett hatte er stets eine Karaffe Wein und Gläser 
zur Hand ... Eins kommt zum andern. Nach vier Monaten hatte 
er wieder eine Erleuchtung: Warum stand er eigentlich zum Abend 
essen auf, in der Tat, warum stand er überhaupt auf? 
Von nun an verließ er sein Bett nicht mehr, bis er eines Tages, 
viele Monate später, herausgenommen und, mit den Füßen zuerst, 
hinuntergetragen wurde, zur letzten Ruhestätte. Ein barmherziger 
Tod hatte ihn überrascht, sanft, flink und freundlich, zwischen zwei 
Bissen besonders saftigen Geflügels. Seine Köchin vergoß heiße 
Tränen, aber er hatte sie in seinem Testament wohl bedacht: „Ah, 
messieurs, quelle belle mort!“ („Ach, meine Herrn, was für ein schöner 
Tod“) sagte sie zwischen zwei Schluchzern zu seinen Freunden. 
Sie war eine Künstlerin, diese unbekannte Frau, eine echte Künst 
lerin, keine gewöhnliche Frau wie jene andere, die Heldin der folgen 
den pathetischen Erzählung. Es ist eine schlimme Geschichte diesmal, 
eine der erschütterndsten Tragödien des menschlichen Lebens. 
Ein Mann, ein Witwer, hatte eine Köchin, die sehr begabt war, 
aber sehr launisch und obendrein häßlich wie die Nacht. Jahrelang 
ertrug er geduldig ihre Launen und Szenen, und sie nutzte 6eine 
Milde tüchtig aus. Täglich drohte sie mit Kündigung, und Furcht 
schlich allmählich in des Witwers Herz. Eine abscheuliche Ahnung 
befiel ihn: Sie könnte eines Abends nach einem besonders heftigen 
Auftritt wirklich gehen und ihre Küche mit umgestürzten Kochtöpfen 
in trostlosem Zustand zurücklassen. Nächtelang träumte er fiebernd 
von diesem drohenden Verhängnis... eine solche Köchin gab es nicht 
noch einmal... sie war, der Teufel hol’s, vollkommen ... in Schweiß
	        
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