Volltext: Almanach der feinen Küche

Wer ist Marcel X. Bo ulestin? 
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Wenn er über die Vorzüge eines Gerichtes spricht, wenn er ein 
Rezept erklärt, wenn er sagt, daß eine gute Köchin sparsam sein und 
eine wahre Hausfrau Verschwendung verabscheuen muß, fühlt man, daß 
niemand ihn das Kochen zu lehren brauchte. Er weiß diese Dinge, wie 
seine Vorfahren sie wußten, er hat sie sozusagen in den Fingerspitzen. 
Man wird sich fragen, was einen solchen Mann veranlaßt hat, 
Kochbücher zu schreiben und, obwohl er nicht vom Fach ist, in 
London ein unvergleichliches Restaurant zu eröffnen, wo die Größen 
aller Länder vor der Speisekarte in Staunen geraten, die ihnen alle 
Raffinements der großen Küche und die mannigfaltigen Spezial 
gerichte der französischen Provinzen vorschlägt. Wenn er sich im 
Ausland zum Botschafter der französischen Küche und des fran 
zösischen Geschmacks gemacht hat, so geschah es sicherlich nicht 
aus Gewinn- oder Ruhmsucht, denn beides liegt ihm fern. 
Sein Unternehmen sowohl als auch seine Bücher erklären sich 
vielmehr als Reaktion und Protest gegen zwei Strömungen der Neu 
zeit: die Standardisierung und den Internationalismus. Diese Schlag 
worte und die Ideen, die sich damit verbinden, müssen einen Marcel 
Boulestin mit den Zähnen knirschen lassen. Er ist der geschworene 
Feind jedes Versuches, das Individuum der Gemeinschaft unterzu 
ordnen. Er haßt Serienartikel. Er verabscheut die internationale 
Küche. Friedrich Sieburg hat in seinem berühmten Buch die Frage 
gestellt, ob Gott Franzose sei. Marcel Boulestin würde darauf ant 
worten, daß Gott nur Gascogner sein könne. Seine heimliche Vorliebe 
gilt denn auch den Gerichten dieser Provinz und ihrer reichen 
kulinarischen Tradition. Für sein Restaurant in London läßt er 
Steinpilze mit dem Flugzeug kommen. Niemand ißt sie, aber sie 
sind immer frisch zur Hand, um zu beweisen, daß die Gascogne recht 
hat gegen die ganze Welt.
	        
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