228
Außendörfern da waren. Ich hörte, daß viele voller
Angst schon auf Flucht bedacht waren. Da mußte ich
hin und beruhigen. Ein Fuhrwerk, das einen Täufling
zur Taufe gebracht hatte, konnte ich gleich benutzen. Aber
durfte ich fort von Hause, da es doch bekannt wurde, daß
unsere Bahnstation Illowo behördlich geräumt worden
sei? Das Schwanken war nur einen Augenblick. In
Wolla angekommen, höre ich, daß das halbe Dorf schon
fort ist. Einige wollten gern bleiben, aber die allge
meine Aufregung teilt sich auch den Besonnenen mit.
Zurückgeblieben ist auf dem einen Hofe nur ein altes
Ehepaar, das im Kriegsjahre seine goldene Hochzeit feiern
sollte, sie hatten nicht fort wollen. Einen Jungen sehe
ich mit zwei großen Broten über die Straße laufen, er
sucht seine Mutter auf, die die anderen Kinder schon
über den Fluß (die Neide) gebracht hat. An eine An
dacht, wie ich sie sonst hier so gern gehalten habe, war
nicht zu denken. Ich rate zu bleiben, bis ein obrigkeit
licher Befehl uns fortgehen heiße.
Nun ging's ins nächste Dorf, Krokau; dort waren
noch fast alle Einwohner da außer den zur Fahne Ein
berufenen. Hier konnte ich in der Schule eine Andacht
halten, wozu die ganze Schulstube sich füllte. Was wir
wollten, war das Gemeinsame unsere Augen aufzuheben
zu den Bergen, von denen uns Hilfe kommt. Die Vetera
nen von 1870 gaben mir darin recht, daß in Frankreich
diejenigen am besten taten, die nicht flohen, sondern auch
bei der Invasion ihr Haus hüteten. Und so würden wir
ja auch nichts von russischen Soldaten zu fürchten haben.
Ja wer kannte damals die Kosaken und anderes Gelichter;
so macht man seine Pläne und es kommt oft so ganz
anders. Wie doch haltlose Gerüchte so schnell entstehen
und geglaubt werden! Da wurde mir schon am Sonn
tag erzählt, daß Mlawa, die russische Grenzstadt, von
den Unserigen gestürmt und daß von dorther Soldaten
an hiesige Verwandte Grüße bestellt haben. Ja unseren
Soldaten traute man schon etwas zu.
Der Anblick des ersten deutschen Flugzeuges über
der Grenze, den ich beim Nachhausekommen hatte, höb
ebenfalls den Mut, doch die beunruhigenden Gerüchte