Volltext: Katholische Dichtung

VERLAG JOSEF KÖSEL & FRIEDRICH PUSTET MÜNCHEN 
22 
HEINRICH SCHOTTE: 
EIN SCHWABENSTREICH 
Aus der Stille meines Heimatdorfes war ich herausgekommen in die große 
Künftlerftadt im Süden. 
Ich erinnere mich noch, wie ich zum erften Male die Schwelle der Univerfität 
überfchritt. Etwas von der Ruhe eines Klofters fchien über dem weißen Haus 
zu liegen, das fich hinter den Kronen hellgrüner Linden verfteckte. Nur 
zögernd tafteten die Seitenflügel zur Straße vor, als fcheuten fie fleh, mit dem 
Leben des Alltags Fühlung zu nehmen. Über die Treppen, die Stufen des 
Portales wogte und wallte es in hellen Scharen hinauf. 
Die Jugend trat an mich heran in der Geftalt eines luftigen, jungen Menfchen, 
den ich ein paarmal hier in den Hörfälen gefehen hatte. Es war ein Schwabe 
mit breitem, offenem, von kirfchfchwarzer Mähne umrahmtem Gefleht und 
ebenfo offenen, flinken und luftigen Augen, die aber nie einen Augenblick 
ganz ruhig auf einem Fleck oder Punkt zu verweilen vermochten. 
Ein paarmal war auch noch ein anderer Schwabe dabei. Ein langer, hoch- 
gefchoffener Menfch, der aus demfelben Schwabendorfe flammte und gerade 
aus den Schulbänken herausgekommen war. Man fah ihm fchon auf zwanzig 
Schritte den Neuling an. Ich fehe ihn noch vor mir, als wäre es erft geftern 
gewefen, wo wir zufammen die Gänge entlang fchritten. Die hagere, eckige 
Geftalt in dem langen, graufchwarzen Bratenrock, den Kopf mit dem rot 
blonden, fuchfigen Haar. Vor allem aber diefes breite, fleckige, braune 
Sommerfproffengeficht. Aber das Köftlichfte an diefem Gefleht waren die 
großen, immer fo gutmütig, fo treuherzig blickenden Kinderaugen. Kaum 
erinnere ich mich, fo ein Paar ehrliche, offene Burfchenaugen jemals wieder- 
gefehen zu haben. Höchftens noch die luftigen, fchwarzen Zigeuneraugen 
meines Florian. 
Aber in dielen blitzte zuweilen noch etwas ganz anderes auf. 
Einmal habe ich eine köftliche Probe davon erhalten. Es war der Tag der 
Immatrikulation, da wir in die Reihe der akademifchen Bürger ausgenommen 
werden follten. Wie ein Ameifengewimmel drängte es fleh in die Aula hinein.. 
Plünderte junger Studenten, die da wartend herumftanden. 
Mitten im Gedränge harrte ich des Augenblicks, wo ich felber an die Reihe 
kam. Faft zerrte das Warten an meiner Geduld. Wie lange das dauerte: diefes 
Aufrufen all diefer Hunderte von Namen! Und dann diefes Gehen und 
Kommen und Schieben da vorne zum Podium hin, wo ich hinter dem Tifche 
die hagere, gebeugte Geftalt des Rektors erblickte. Ich fah, wie jeder einzelne 
aus der Menge herauskam, das Podium betrat, um dann feinen Eid in die 
Hände des Rektors niederzulegen. 
Neben mir ftanden die beiden Schwaben, Ein paarmal ftreiften meine Blicke
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.