Volltext: Das Bevölkerungsproblem Oesterreichs

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L. Gschwendtner: 
der Tüchtigen verfügbar wurde, ausgefüllt. So hat sich eine Verpöbelung* *) 
entwickeln können, deren Keim, in jedem Volke schlummernd, bisher durch 
die Ueberzahl der Tüchtigen und Arbeitsfreudigen nur unterdrückt war. 
Durch das „Weltproblem“ im allgemeinen und durch die Tatsache, 
daß jede Massenproduktion heute notgedrungen zu noch weiterer Ver 
mehrung Minderwertiger zu führen pflegt, bewogen, glaubt East die 
Weltbewohner, insbesondere die weißer Rasse, zu einer weitgehenden 
Beschränkung der Geburtenziffer ermahnen zu müssen. Er ist der 
Ueberzeugung, daß die im vergangenen Weltkrieg eingetretene Er 
lahmung der Fruchtbarkeit allmählich wieder einem Geburtenüberschuß 
wie in den Vorkriegsjahren Platz machen werde. Er glaubt, gerade des 
halb rückhaltslos für eine weitere Verbreitung der Prävention und ihrer 
Technik auffordern zu sollen*). 
Bevor man diese Forderung auch auf unsere Verhältnisse un 
eingeschränkt ausdehnen kann, bedarf es einer Ueberprüfung, ob die 
von East gehegte Ueberzeugung auch auf unser Volk zutrifft. Denn 
abgesehen davon, daß East, wie schon gesagt, den nationalen Eigen 
tümlichkeiten und Bedürfnissen der einzelnen Staaten, die gewiß auch 
heute noch die Antwort auf die Frage wesentlich bestimmen, überhaupt 
nicht Rechnung trägt, gewinnt man, wenn man seine bevölkerungsstati 
stischen Angaben und Schlußfolgerungen liest, den Eindruck, als wäre 
seine Ansicht über die zukünftige Bevölkerungsbewegung in Europa, ins 
besondere über die der kriegführenden Staaten, von der Idee des Welt 
problems etwas zu stark beeinflußt worden. Bevor ich aber dieser Frage 
nähertrete, sei noch kurz die Stellungnahme Grotjahns dargelegt. 
Betont schon East, daß die Bevölkerungsverhältnisse durch die Ver 
breitung der Verhütungstechnik völlig neugestaltet worden sind, so gilt 
dies in erhöhtem Maße von Grotjahn. Dieser betont, es sei ganz un 
verzeihlich, daß sich die maßgebenden Kreise bisher noch immer nicht 
entschließen konnten, die Entwicklung der Verhütungstechnik näher zu 
studieren, oder auch nur, ihr besondere Bedeutung beizumessen. Man 
scheint mancherorts immer noch der Meinung zu sein, der Präventiv 
bewegung nötigenfalls mit moralisierenden Lehren und Ermahnungen 
*) In diesem Zusammenhang gebraucht, dürfte die Bedeutung des Wortes keinem 
Zweifel mehr unterliegen. Diese Verwendung entspricht auch durchaus dem süddeut 
schen Sprachgebrauch, der mit dem Worte „Pöbel“ die Schichte der körperlich und 
geistig Minderwertigen, vor allem den Bodensatz des Volkes auszudrücken pflegt. Mit 
dieser Erklärung ist für mich die von Grotjahn in Band 18, Heft 3 des Archivs 
für Bassen- und Gesellschaftsbiologie in nicht ganz einwandfreier Weise abgegebene 
„Verwahrung“ abgetan. 
*) Es macht dabei praktisch wenig aus, daß East die Nebenforderung erhebt, 
daß die Verminderung in erster Linie durch Unterbindung der Vermehrung aller 
Minderwertigen und Schwächlinge vor sich zu gehen habe, da diese Forderung, wenig 
stens bei uns, für Jahre hinaus gerade bei den maßgebendsten Stellen taube Ohren 
finden wird.
	        
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