Das Türkenbett / Von Julius Zerzer
3. Mai 1809 begann für Napoleon wenig verheißungsvoll. War der
AH Gewaltige mit dem linken Fuß aus dem Bett gestiegen? Schwer zu ent-
^ scheiden. Die Chronisten und Memoirenschreiber überliefern es nicht.
Hingegen blieb es der Nachwelt nicht vorenthalten, daß er an diesem Tage
bereits beim Frühstück, das er im Kloster Lambach einnahm, eine Schale zer¬
brach. Eine Kaffeeschale. Nun, das Unheil wäre zu verschmerzen gewesen, hätte
er die Schale nicht im Zorn zu Boden geworfen und wäre seine Erregung nicht
von den dumpfen Kanonenschüffen ausgelöst und begründet worden, die von
fernher in rascher Folge an seine empfindlichen Ohren schlugen.
,Zum Teufel! Massen«, der Spitzbube, steht im Gefecht!"
So war es auch. Bei Ebelsberg erzwangen die Franzosen den Übergang
über die lange, hölzerne Traunbrücke, die die auf dem Rückzug begriffenen
Österreicher nicht schnell genug in Brand stecken konnten, weil sie das hiezu nötige
Pech bereits mit dem Troß nach Ennö vorausgeschickt hatten. Sie mochten auf
Pech keinen großen Wert legen. Aber nun wäre eö dennoch erwünscht gewesen,
und bis eS ihnen gelang, bei einem Schuster einen tauglichen Vorrat aufzu¬
spüren und daraus ihre Pechkränze zuzurichten, waren die Franzosen bereits
auf der Brücke und löschten die erst schwächlich entfachten Flammen.
Allein dies alles erklärt noch nicht zur Genüge, warum Napoleon seine
schuldlose Frühstücksschale in Stücke schlug. Er hätte den Österreichern das Pech
gegönnt, nämlich das unsymbolische, harzige, -schwarze Pech, wie sie eS brauchten,
um ihre Brücke in Brand zu stecken. Denn es gab noch andere Übergänge über
die Traun, die waren bereits in der Hand der Franzosen. Warum also eine
Stellung stürmen, die man ohne weiters umgehen konnte? Warum etwas
teuer erkaufen, was man einen halben Tag später umsonst besaß? Napoleon
schlug mit der Faust aus den Tisch, daß die Gläser und Taffen klirrten: ^Hätte
ich zwei MassenaS, einen von ihnen würde ich sicherlich hängen lassen! Aber
leider hab' ich nur einen. Den brauche ich. Trotz seiner Streiche, über die man
verzweifeln könnte."
Der Kaiser war aufgesprungen.,Worauf warten Sie noch, meine Herren?
Zu Pferd! Zu Pferd! Wir überschreiten zu Wels die Traun und rücken an
ihrem rechten Ufer nach Ebelsberg." Die Marschälle und Generale stürzten ihm
nach. Da war keine Zeit zu verlieren.
Sie kamen dennoch zu spät. Als sich der Kaiser in den bereits verkühlen¬
den Stunden des blauen Maitages Ebelsberg näherte, war der Kampf schon
entschieden. Die Österreicher im Rückzug auf EnnS. Nun ja, sie hätten ohne¬
dies ihre Stellung nicht länger behaupten können. Die Brücke und die Ortschaft
gestürmt. Die Ortschaft? Wo war sie? Man sah nur qualmende Wolken von
weißem und schwarzem Rauch, und wenn der Wind hineinfuhr, entblößte er
verkohltes Gebälk und fensterlose, geschwärzte Mauern. Napoleon drang in die
beißenden Schwaden ein, durchritt, beständig aufgehalten, die engen, von halb¬
verbrannten Leichen verkeilten Gassen. Sein Schimmel Ali schnaubte und
bäumte sich. Er wollte nicht auf die Leiber der Toten treten. Der Brodem ward