Volltext: Italien in sechzig Tagen

38. Pästum (Basilika, Ceres-Tempel). 
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In der Mitte des Tempels stehen 
als Reste der Cella zwei Reihen 
von je sieben Säulen mit kleineren 
Verhältnissen; über ihrem Architrav 
erhebt sich eine zweite Reihe noch 
kleinerer Säulen, die das Dach tru¬ 
gen; die Verhältnisse sind kürzer, 
um den Stützen grössere Kraft zu 
geben. Das Dach über der Cella war 
ausgeschnitten, der Tempel also 
hypäthral, d. h. das Sanctuarium stand 
unter freiem Himmel, wodurch der 
Festtempel eine reiche Beleuchtung 
durch das prächtige Oberlicht erhielt. 
Man sieht noch Reste der Cellamauer 
und Spuren der in den Thürwänden 
ausgesparten Treppen. Die Doppel¬ 
säulen trennten das Innere der Cella 
in ein breites Mittelschiff und zwei 
schmälere Seitenschiffe, hinten stand 
die Statue des Gottes. Die Fort¬ 
setzung der Mauern der Cella bilden 
zwei Vorhallen, eine gegen den 
Vortempel und eine kleinere gegen 
die hintere Abtheilung, je von dem 
Portikus durch zwei Pfeil er getrennt, 
zwischen denen noch zwei Säulen 
stehen. Die Stirnpfeiler des Vor¬ 
tempels treten vor den Säulen vor 
und geben dadurch dem Vestibül 
mehr Tiefe und dem Plan grössere 
Bewegung. Das Gebälk war reich 
mit Farben geschmückt, die Säulen, 
der Architrav und Dachkranz gelb¬ 
lich, die Dreischlitze und Tropfen 
dunkelblau, die Metopen (quadrati¬ 
sche Felder) roth. Dagegen ist 
die wunderbare Goldfarbe des Tra- 
vertius, der dem Tempel den reichen, 
glühenden Ton und eine fast braune 
Durchleuchtung verleiht, besonders 
wenn die volle Sonne ihren Glanz 
über ihn ausgiesst, erst durch Oxy- 
dirung ihres Eisengehalts entstan¬ 
den. Den Travertin lieferten die 
mächtigen Süsswasserkalkwäude des 
Silarus; die Säulen sind aus je vier 
grossen Stücken zusammengesetzt; 
Säulen und Mauerflächen waren mit 
Stuck bekleidet. 
Die imposante Wirkung, die Harmonie der Verhältnisse (eine 
tiefgedachte Entfaltung einer organischen Gliederung), der strenge 
Stil, die wuchtige Kraft, die grandiose Einfachheit erheben den Ge- 
sammtbau noch weit über die sicilischen Tempel (die vollendete 
Klassicität verlangte nur noch ein kräftigeres Einziehen der Aus¬ 
ladung, Erleichterung der Wucht, Verlängerung der Höhe und Er¬ 
weiterung der Abstände). Vor der Ostfa9ade des Tempels sieht man 
die Basis eines Opferaltars. 
Südl. vom Neptuntempel steht die sogen. Basilika, 50 Traver¬ 
tinsäulen (9 an jeder Front, 16 an jeder Längsseite), die ein 24 m. 
breites, 54 m. langes Rechteck beschreiben, das auffallenderweise 
durch eine mittlere Säulenreihe in zwei Längshälften getheilt wird. 
Man nannte den Bau ziemlich willkürlich eine Basilika; wahrschein¬ 
lich war es eine Doppelstoa. Auch über das Alter ist man nicht 
einig; die schönen Kapitale entsprechen nicht den gewöhnlichen do¬ 
rischen, haben jedoch Aehnlichkeit mit denen zu Selinunt. Die Ver¬ 
hältnisse, der weiche und volle Echinus weisen auf eine noch ältere 
Zeit als die des Neptuntempels. Doch deutet das feine Schmuckwerk 
(der reich ausgezierte Hals) auf eine viel spätere Zeit als die der 
grossen Formen des dorischen Stils und erinnert an den etruskischen 
Goldschmuck; auch die sich verjüngenden quadratischen Pfeiler 
und ihre Kapitäle erinnern an etruskische Grabpfeiler, daher manche 
den Bau in die etruskisch-römische Bauzeit hinabdatiren. 
Nördl. in etwas weiterer Entfernung vom Neptuntempel steht der 
sogen. Ceres-Tempel, ein kleiner Bau mit 34 Travertinsäulen, je 
Wegweiser durch Italien. 52
	        
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