Volltext: Der Klausner am Jakobsbrunnen

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Diese hohe Gestalt, der kräftige Knochenbau, der 
schön geformte Kopf, die obgleich gealterten doch regel 
mäßigen feinen Züge von einem langen weißen Barte 
überwuchert, mußten einem schönen Manne edler Ab 
kunft angehört haben. 
Mühsam schritt der Pilgersmann eben an dem 
Saume eines kleinen Gehölzes hin, welches sich einen 
Hügel hinaufzog, als er schwer aufathniend stehen 
blieb, seinen Stab zur Erde warf, den Hut von dem 
völlig kahlen Scheitel riß und sich mit dem Antlitze 
gegen die Sonne wandte. 
„Brenne nur zu, flammendes Auge des Ta 
ges," murmelte er zwischen den Zähnen, „sende noch 
glühendere Strahlen nieder auf meinen Scheircl, daß 
sie mir das Gehirn- verbrennen; — tief in meine 
Brust sende sie, daß mein Herz vertrockne, mein Blut 
Verdienste! — Laß mich nicht länger, Herr aller Welten, 
mit Deinem Fluche beladen herumwandeln auf der Erde, 
gleich jenem „ewigen Waller", mir selber zur 
Last: — laß mich sterben, o Herr! — Habe ich aber 
noch nicht genug gesühnt jenen Frevel, den ich, auf 
gestachelt von Habsucht und Neid, in Deinem heiligen 
Tempel verübt, — so verleihe mir gnädig Kraft noch 
ferner zu dulden, — daß ich nicht einen zweiten Frevel 
gegen Deine heiligen Gebote übe, Hand an mich sel 
ber lege!" — 
Jetzt zuckten des Mannes Muskeln noch einmal 
fieberhaft auf und im nächsten Augenblicke brach er 
wie entseelt in sich selber zusammen. — 
Schon hoch stand bereits der Vollmond am reinen 
nächtlichen Hiinmcl und warf einen schinimernden Licht 
streif über das rauschend dahin eilende Albenflüßchen, als 
unser Pilger aus seinem Grabesschlummer erwachte.
	        
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