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Steuerrecht.
Nirgends tritt die Bevormundung der Gemeinden grel
ler in Erscheinung, als auf steuerrechtlichem Gebiete. Die
Gemeinden können ihre Einnahmen nicht nach Bedürfnis
und freiem Ermessen vermehren, ihre Zuschlagskompetenz
ist beschränkt, höhere Zuschläge an die Bewilligung des
Landesrates gebunden, zur Einführung neuer Auflagen und
Abgaben sowie zur Erhöhung bestehender ist ein Landes
gesetz erforderlich. Nach dem Gesetze vom 3. Jänner 1923,
L.-G-.Bl. Nr. 21, können die Gemeinden Zuschläge bis zur
halben Höhe der Landesrealsteuern selbständig beschließen,
dagegen sind höhere Zuschläge bis zum Vierfachen der
Landesrealsteuern nur mit Genehmigung der Landes
regierung zulässig. Roch höhere Gemeindezuschläge be
dürfen der landesgesetzlichen Regelung. Der in Dunkel ge
hüllte § 71 G.-O. (in der Fassung des Gesetzes vom Jahre
1920) lehnt die Progression, die Abstufung der Zuschlags
prozente im Rahmen derselben SteuergattuNg ab. K 73 a
G.-O. gestattet die ungleichmäßige Umlegung von Zuschlä
gen nur hinsichtlich der einzelnen Gattungen der di
rekten Staatssteuern, macht jedoch diese Ungleichmäßigkeit
von der Zustimmung des Landesrates abhängig. Es ist
klar, daß hiedurch eine Entlastung der wirtschaftlich
Schwächsten und eine stärkere Heranziehung des Besitzes
zur Steuerleistung unmöglich gemacht wird.
Auch im Landtag verwirft die antisozialdemokratische
Mehrheit den Grundsatz der Progression und damit die
einzig gerechte Art der Besteuerung. Anläßlich der Be
ratung des Landesvoranschlages für das Jahr 1924 hat
Genosse Josef G r u b e r nachstehenden Antrag im Finanz
ausschüsse eingebracht, der von der klerikal-nationalen
Mehrheit abgelehnt wurde:
„Der große Grundbesitz hat es von jeher verstanden, sich
allen fühlbaren öffentlichen Lasten zu entziehen und sich
maßlose Steuerprivilegien zu sichern. Schon bei der Gruno-
steuerregulierung vom Jahre 1869, auf der das gegen-
wärtig in Oesterreich geltende Grundsteuersystem beruht,
wurde im ß 5 des Gesetzes vom 24. Mai 1869 bestimmt:
Der Kulturzustand der Grundstücke ist bei der zum Zwecke
der Ermittlung des Reinertrages stattfindenden Abschät
zung durchwegs als ein mittlerer (gemeingewöhnlicher)
anzunehmen. Auf Eigentumverhältnisse und auf den wirt-