Volltext: Religion und Rechtspflege

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Es fehlt dem Richteramte an der rechte» Entrüstung gegen Rohheit 
und Schlechtigkeit — darin liegt's. 
Exempla sunt odiosa — sehen wir aber nur die in Folge der 
letzten Börsekrisis zu Tage gekommenen Zustände, die nicht über Nacht 
entstanden, sondern sich aus den Verhältnissen ausgebildet haben; — 
sehen wir den Proceß Ofenheim mit allen dabei betheiligten Personen. 
Das Richteramt hat durchaus nicht bloß die Aufgabe, die ein 
zelnen Fälle zu erledigen, um gut oder schlecht aus der Reihe der 
Streitigen zu schaffen, sondern es soll zwar vor Allem den einzelnen 
Fall, dem materiellen Rechte entsprechend, entscheiden, aber auch damit 
für die Achtung vor dem Gesetze sorgen und durch eine unerbittliche 
Strenge einen moralischen Einfluß üben. 
Es kann durch eine conseqnente, dem Geiste einer auf sittlichen 
Grundlagen basirten Gesetzgebung entsprechende Auslegmig und Anwen 
dung des Gesetzes und durch die Hervorhebung dieser sittlichen Grundlagen 
mächtig zur Hebung und Stärkung des Rechtsbewnßtseins, sowie 
Achtung des Gesetzes im Volke beitragen. 
Diese fortwährende, von einem idealen Geiste erfüllte Rechts- 
anwendung ist die ethische Aufgabe des Richteramtes. 
Die Oeffentlichkeit des Verfahrens dient nicht bloß zum Schutze 
der rechtssuchenden Parteien gegen Willkür, sondern zur Erziehung des 
Volkes durch Anregung und Stärkung des Rechtssinnes, was aber durch 
eine nmttherzige Anwendung des Gesetzes wenig oder gar nicht erreicht 
wird. 
Wir müssen uns eben darauf einrichten, daß in der Zukunft bei 
der Mehrheit des Volkes nur der äußere Zwang mehr hilft, dieser 
muß aber dann ein unnachsichtlicher und energischer sein. 
Jede Uebertretung des Gesetzes, vor Allem Verletzung des Glau 
bens und der Treue im Verkehre und ganz besonders energisch die 
Behauptung einer Unwahrheit vor Gericht (nach Umständen auch die 
im Civilproceß) müssen gestraft und der Schuldige civilrechtlich ausgiebig 
verantwortlich gemacht werden. 
Die Feuerbach'sche Abschreckungstheorie wurde mit Recht abge 
lehnt, aber diese Ablehnung berechtigt nicht zu einer Strafrechtspraxis, 
die das Gegentheil, nämlich das Bestreben zeigt, durch milde Strafen 
vom Begehen strafbarer Handlungen nicht abzuschrecken.
	        
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