Volltext: Religion und Rechtspflege

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Und was dann, wenn nicht bloß Confessionslosc, deren Beeidigung 
schon Anstand verursacht hat, sondern solche kommen, die rundweg 
erklären, ich glaube nicht an Gott und lege daher keinen Eid ab? 
Soll deshalb der, welcher sich ans das Zeugniß eines solchen 
Mannes beruft, beweislos sein, oder gilt dessen Zeugniß ohne Eid? 
Das Erste wäre eine Ungerechtigkeit gegen den, welcher Beweis 
führen soll, das Letztere eine sonderbare Zurücksetzung der religiösen 
Zeugen. 
Und wie, wenn bcschwornes und unbeschwornes Zeugniß gegenüber 
steht, oder gar der Schurke, welcher Religion heuchelt, schwört, der 
ehrliche Mann, seiner Ueberzeugung treu, nicht schwört? 
Es ist ebenso sicher, daß in nicht ferner Zukunst auch der Staat 
deshalb es wird aufgeben müssen, seine Beamten unter Eid zu stellen, 
um nicht zweierlei Categorien, beeidete und unbeeidete, zu haben. 
Diese Zeit, in welcher die Religionen ihren Einfluß mehr oder 
minder verloren haben, und insbesonders der Eid werthlos geworden 
sein wird, vorzubereiten ist die Aufgabe der Gegenwart, ihrer Gesetz 
gebung und Praxis. 
III. 
Die Pflicht — das Sollen — muß durch eine andere als die 
verloren gehende Autorität des geglaubten Gottes energisch gefordert 
werden. 
Es muß eine Autorität sein, welche sichtbar und fühlbar, all 
gegenwärtig und allwissend ist, und diese Autorität kann keine andere 
sein als die des Staates, geübt durch die gesetzgebenden und voll 
ziehenden Organe. 
Diese Macht des Staates muß gegen alle gleich gerecht, aber auch 
gleich strenge geübt werden. 
Sie wird um so leichter ertragen, als sie einerseits nicht die 
Allgewalt des absoluten Fürsten bedeutet, sondern im modernen Staat 
das Volk selbst Antheil an der Gesetzgebung und dem Vollzug hat, 
sohin theilweise seiner eigenen Autorität gehorcht, und als anderseits 
der moderne Staat alles aus seinem Bereiche ausschließt, was der
	        
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