9 Und was dann, wenn nicht bloß Confessionslosc, deren Beeidigung schon Anstand verursacht hat, sondern solche kommen, die rundweg erklären, ich glaube nicht an Gott und lege daher keinen Eid ab? Soll deshalb der, welcher sich ans das Zeugniß eines solchen Mannes beruft, beweislos sein, oder gilt dessen Zeugniß ohne Eid? Das Erste wäre eine Ungerechtigkeit gegen den, welcher Beweis führen soll, das Letztere eine sonderbare Zurücksetzung der religiösen Zeugen. Und wie, wenn bcschwornes und unbeschwornes Zeugniß gegenüber steht, oder gar der Schurke, welcher Religion heuchelt, schwört, der ehrliche Mann, seiner Ueberzeugung treu, nicht schwört? Es ist ebenso sicher, daß in nicht ferner Zukunst auch der Staat deshalb es wird aufgeben müssen, seine Beamten unter Eid zu stellen, um nicht zweierlei Categorien, beeidete und unbeeidete, zu haben. Diese Zeit, in welcher die Religionen ihren Einfluß mehr oder minder verloren haben, und insbesonders der Eid werthlos geworden sein wird, vorzubereiten ist die Aufgabe der Gegenwart, ihrer Gesetz gebung und Praxis. III. Die Pflicht — das Sollen — muß durch eine andere als die verloren gehende Autorität des geglaubten Gottes energisch gefordert werden. Es muß eine Autorität sein, welche sichtbar und fühlbar, all gegenwärtig und allwissend ist, und diese Autorität kann keine andere sein als die des Staates, geübt durch die gesetzgebenden und voll ziehenden Organe. Diese Macht des Staates muß gegen alle gleich gerecht, aber auch gleich strenge geübt werden. Sie wird um so leichter ertragen, als sie einerseits nicht die Allgewalt des absoluten Fürsten bedeutet, sondern im modernen Staat das Volk selbst Antheil an der Gesetzgebung und dem Vollzug hat, sohin theilweise seiner eigenen Autorität gehorcht, und als anderseits der moderne Staat alles aus seinem Bereiche ausschließt, was der