Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge 9 (Folge 9 / 1930)

„Alpenländische Musiker-Zeitung“ 
———⏑⏑ — 
Erinnerungen an Kapellmeister Gustav Mahr 5. 
Am A. September begruben wir ihn am Urfahrer 
Friedhof. Sehr viele waren beim Begräbnis zugegen, 
die unter ihm gedient hatten.. 
WMahr war ausgesprochener Wagner⸗-Interpret. Das 
mußten alle verspüren, die vor ihm saßen in den unzäh— 
ligen Proben. „Heraus! Heraus!“ Das war sein stän— 
diger Ausruf beim Studium der Wagner-Werke. Die 
Bläser konnten ihm beim Forte nie stark genug blasen. 
„Sehen Sie einmal nach, ob da nicht ein alter Strumpf 
drinnen ist?“ Er meinte im Blechinstrument. Wahrẽ 
beissender Sarkasmus war bei Offizieren und Mann— 
schaft gleich berühmt und gefürchtet. Da war wieder 
einmal Probe zu „Waldweben“ (Siegfried). In den 
Waldhörernern kommt gleich zu Beginn der Fantasie das 
tiefe Baß⸗-A in der Dauer von 13 Takten in einem 
Ton gehalten. Mahr war unzufrieden. Manchen Tag 
konnte es ihm überhaupt keiner recht machen. Er ließ 
alle vier der VReihe nach den oben angeführten Ton 
vorspielen. Da kam ich an die Reihe. Nach einigen 
vergeblichen Versuchen meinerseits, das A in einem Atem 
zu halten — es war eine schwierige Sache! — meinte 
Wahr spöttisch: „Sie blasen ja wie eine Kuh — geben 
Sie vielleicht Milch auch?“ Brüllendes Gelächter folgte 
diesem Witz. Mahr war ein Instrumentalphänomen. Er 
konnte jedem etwas zeigen auf seinem Instrumen! 
(was man von wenigen Dirigenten behaupten kann!). 
Die über dreihundert existierenden Straußwalzer geigte 
Mahr auswendig. herunter, wie es bei Tanzmusik oft 
vorkam. Ohne mit einer Wimper zu zucken, wiederholte 
er einen Walzer fünfmal nacheinander. 
Originell waren Mahrs Taktstöcke. Die sahen manch- 
mal aus wie ein „Besen“. Wahr „bekräftigte“ nämlich 
seine Erklärungen und „Kosenamen“ mit wütenden Hie— 
ben au sein Pulft, das aussah wie eine „Kredenz“. Zum 
Trost mancher Kapellmeister, die fürchten, ihr Taktstock 
sei zu wenig repräsentabel, sei's gesagt: Mahr diri— 
gierte die schönsten Symphoniekonte mit einem Stück 
panischen Rohr!' Böse Zungen behaupteten, der Archivar 
beziehe dasselbe vom Vegimentshornisten. 
Wenn wir manchmal „MWoderne“ spielten, sagte 
Mahr beim Zusammengeben der Noten: „Nehmen Sie 
diesen Dreck wieder zusammen.“ Wahr haßte nichts 
mehr wie Jazzmusik und es war seinen klassischen Ge— 
fühlen eine Qual, diese Sachen zu spielen. Des Publi— 
kums wegen mußte er sie spielennnn. 
Ich bin Wahr dankbar für das Gelernte; obwohl 
es manchmal grob herging dabei. Aber welcher tüchtige 
Chirurg ist nicht gro ,ẽẽẽe 
Wahr besitzt mehr als 20 Auszeichnungen. Darunter 
den persischen Sonnenorden. Ein Beweis für die Po— 
pularität Mahrs. Interessant, wenn Parade war und 
so mancher Offizier „ausgehängt“ hatte: Da war sicher 
die Medaillenseite Mahrs leer. — Künstlerlaunen — — 
Nie werde ich die kleine Episode vergessen, damals, 
als eine Sängerin bei uns war, um eine Axie mit uns 
einzustudieren, Als die Arie einmal durchgenommen war 
und Mahr feststellte, daß der Gesang noch zu wünschen 
übrig ließ — die Sängerin war eine Dilettantin — 
meinte er, über die linke Achsel blickend, zur Sängerin: 
„Wollen Sie das noch einmal singen?“ Das ganze 
Mitleid war in diese Frage hineingelegt..— 
Kapellmeister Mahr nahm mit seinen Vorgesetzten 
manchen Kampf auf, wenn es galt, einen Musiker, der 
Kompagniedienst hatte, frei zu bekommen. Da war im— 
mer sein Sprichwort: „Das geht mich gar nichts an!“ 
Er meinte damit immer den Regimentsbefehl. 
So ist wieder einer von den Großen von uns ge— 
gangen! Mahr schrieb bedeutende Werke. So 3. B. 
„Alaska“, eine .symphonische. Arbeit, die eine riesige 
Besetzung erforder .. —— 
Bekannt sind auch Mahrs Arrangements von Streich 
auf Blech, seine Märsche, die, wenn sie tausendmal hin— 
Wr seden wesehen würden, auch nicht ausgeleiert werden 
önnen. — J 
79 
KHapellmeister Mahr ließ es sich auch, obwohl nicht 
verpflichtet, nicht nehmen, an die Front zu gehen, wo 
er bei Offizier und Mannschaft ein gern gehörter, humor— 
voller Erzähler und Gesellschafter war. — 
Bemerkenswert ist das große Interesse, das Mahr 
an der Nichtberufsmusiker-Bewegung nahm. Wiederholt 
äußerte er sich: „Diese Bewegung verdient die größte 
Ausmerksamkeit und Förderung durch alle berufenen 
Zreise.“ In Briefen an Bundesobmann Munninger er— 
undigte sich immer nach dem Stande der Erfolge und 
drückte seine Freude und Sympathie aus, daß eine der— 
artige Beweguͤng in der Richtberufsmusikerschaft über— 
zaupt zu Stande gebracht werden konnte. Kurz vor sei— 
iem Tode schrieb noch Wahr einen herzlichen Brief an 
Munninger, in welchem er ihm seine tatkräftigste Hilfe 
»erfichert. Nun ist er tot und hoffen wir, daß sich des 
etziten Erbes, diesem herzlichen Hilfezuspruch Mahrs, be— 
rufene Kreise annehmen und es verwirklichen. 
Sein Geist lebt fort in seinen Schülern, die da 
und dort verstreut als Dirigenten wirken. — Ich be— 
pahre Kapellmeister Mahr ein stetes Gedenken. Als 
Züustler wie als Mensch — und auch als Soldat war 
Wahr eine hervorragende Persönlichkeit. Die Erben 
Mahrs werden ja nicht versäumen — so hoffe ich, seine 
Werke herauszugeben: Es ist wahre, große Kunst. 
F. Oirer. 
J Herzhaftes. 
Musikfeste. 53. 
Wieviel Für und Wider hört man über Wusik— 
feste und doch können diejenigen, die wider die Feste 
find, sofort zu begeisterten Anhängern unserer MWusik— 
seste werden, wenn sie nur einmal ein echtes und 
pahres Wusikfest erlebt oder miterlebt haben. 
Es ist schon so viel über Feste geschrieben worden; 
vir leben überhaupt in einer Zeit, in der ein Fest das 
indere ablöst, jedes scheint gleich wichtig, gleich not— 
wendig, gleich berechtigt und jeder Anlaß gleich eines 
Festes wert zu sein und doch ist es nicht immer so — 
ch meine damit überhaupt alle Feste im allgemeinen, 
vie sie uns die Sonntage jetzt alle bringen. Eines 
aber haben diese Feste gemeinsam in ihrer Durchführung: 
die musikalische Mitwirkung. Und nicht zu— 
letzt die musikalische Mitwirkung ist es, die überhaupt 
erft ein „Fest“ zum wirklichen Feste werden läßt, ohne 
das die Surchführung eines „Festes“ überhaupt undenk— 
dar wäre. Als Beobachter solcher „Veranstaltungen“ 
wird es einem sicher auffallen, daß gerade nur die Wusik 
es ist, die erst all diesen Feierlichkeiten den Charakter 
eines „Festes“‘ gibt und die einzig und allein den Groß— 
teil der „Darbietungen“ bestreitet. Würde bei irgend 
einer Ortsfeierlichkeit mit einem Schlage die Musik auf— 
hören zu Hielen, so hätte damit alle „Stimmung und 
alles Festliche‘ sofort aufgehört. Die Musik ist ja die 
sinngesällige Quelle der Kunst und ihre Sprache dringt 
singend und jubelnd in die Herzen der Menschen. 
Warum soll aber die Musikkapelle auf dem Lande 
und in der Kleinstadt immer nur die Feste anderer be— 
leben, verschönern und den anderen Vereinen zu Ansehen 
und Verdienst verhelfen? Gerade die Musiken in den 
Bezirksverbänden koͤnnen durch einmütiges Zusammenwir— 
ken einen Tag im Jahre zu einem Wusikfesttage machen. 
Welch großen Beifall und Anklang solche Feste bei 
allen Teilen der Bewohnerschaft finden, welches Interesse 
olchen Veranstaltungen entgegengebracht wird, ist sowohl 
erstaunlich als erfreulich. Nur muß die Vorbereitung 
zweckentsprechend sein und die Durchführung in der Hand 
erfahrener und geeigneter Männer liegen. Ich erinnere 
nur an die wirklich herrlichen Musikfeste des Bezirks— 
berbandes Vohrbach und Kirchdorf, die unter der Leitung 
unserer verdienten Bezirksdobmänner Otto Schmid, Ober— 
mühl, und A. R.Dietl, Kirchdorf, zu wahren musika— 
lischen Heimatfesten wurden. Allenthalben rüstete 
der Bund in jedem Bezirke zu solchen Festen. Die Be— 
völkerung soll sehen, welche Arbeit die Kapellen lei— 
sten, welches Streben und Können die Musiker mit 
Stolz zu zeigen vermögen. So wie die Sänger in der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.