Volltext: Heimat und Volkstum

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Me die Heimat für alle Begriffe die ersten Anschauungen beistellt, so find — und 
das ist für die begriffliche Leite ebenso wichtig, wie für die gefühlsmäßige -- alle Fragen 
geistiger und wirtschaftlicher Natur letzten Endes wieder Fragen der Heimat, dieses 
ältesten Gutes, eines Gutes, von dem wir mit jedem weiterschreiten, mit jedem höher- 
reisen doch stets von neuem Besitz ergreifen müssen, eines Gutes, das wir mit innigster 
Lieble zu hüten und mit heißestem.Streben zu wahren haben?) 
Die „eigentliche" oder geographische Heimatkunde (nach älterem Be¬ 
griffe die Landes- und Bezirkskunde, nun Gau- und Grtskunde) läßt sich mit Vorteil, 
weil am naturgemäßesten, in geschichtlicher, Weise behandeln. Diese Lehrweise läßt 
auf natur- und kulturkundlicher Grundlage das heute vorhandene sich vor unsern Bugen 
entwickeln. Me vielseitig unsere Wissenschaft da wird, mögen die Namen der einzelnen 
heimatlichen Brbeits- und Lehrgebiete andeuten: Erd-, Nr-, Kultur-, Kunstgeschichte: Be 
stedlungs-, Bgrar-, Gewerbe- und überhaupt Brbeits- oder Wirtschaftsgeschichte; heimatliche 
Kriegsgeschichte; Grtsgeschichte: Siedlungs- und Flurverhältnisse, Burgen-, Kirchen-, Schul-, 
Höfe-, Häuser- und Familiengeschichte; damit hängt die Führung verschiedener Gedenk¬ 
bücher (Kirche, Schule, Ort, Krieg) zusammen. Eine förmliche Wissenschaft für sich, die sich 
ähnlich wie der Gesamtunterricht aus aller und über alle diese Vielseitigkeit erhebt, ist 
die Namenkunde, die aber ihr Siel auf keinen Fall in der blinden und unbedingten 
ErAMF^esMen Grts-, Flur-, Berg- oder Familiennamens erblicken darf. Und von 
diesem wissen aus spinnen sich tausend Fäden zum Verständnisse von Vergangenheit und 
Gegenwart der Heimat und des Vaterlandes. Unsere Lehre steht so im Dienste des höheren 
Zweckes der geschichtlichen Erziehung. Diese strebt keine Bnfüllung des Gedächtnisses mit 
toten Zahlen, ledernen Tatsachen und absichtsvollen Lügen, sondern ein Begreifen, 
ein Verstehen und vergleichen wesentlicher Vorgänge, ein Gewinnen aus verstand, Gemüt 
und Charakter wirksamen, lebendigen Bildungsstofses an. Diese neue Lehre unterscheidet 
sich sehr erheblich von der bisher herrschenden Methode der „Bilder aus dem Leben der 
Herrscher", die nur Sklavenseelen züchtete. Der Geschichtsunterricht der Volksschule hat 
sich vor allem mit der Vergangenheit des eigenen Volkes zu beschäftigen und Ln engstem 
Zusammenhange mit der Volkskunde und der Kulturgeschichte auf heimatlicher Grundlage 
zu behandeln: Glaube, Sitte, Kunst, Wissenschaft, Staat, Recht, Nahrung, Kleidung, Woh¬ 
nung, Volkstum und Sprache, gesellschaftliche Gliederung, Bbwehr der Feinde, Bedeutung 
des eigenen Volkes für die Kultur und das Glück der Welt. Die Geschichte wird sich 
nur mit den für die Erkenntnis der Gegenwart bedeutsamsten Vorgängen befassen. Die 
naive, spießbürgerlich satte Vorstellung von der Unveränderlichkeit der Kultur und der 
gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung und die daraus fließende Gleichgültigkeit und 
Hoffnungslosigkeit kann nur durch gute geschichtliche Erziehung ertötet werden. Der Stolz 
daraus, „daß wir es so herrlich weit gebracht", soll der Bescheidenheit weichen, anstelle der 
Verzagtheit und Schwäche soll treibender Geist, tatkräftige Gesinnung und Gpferwilligkeit 
treten. So erziehen wir ein junges Geschlecht, Ln dessen freudigen herzen die Hoffnung auf 
eine bessere Zukunft neu ergrünt und in dem Willensstärke und Tatkraft mit Natur- 
gewalt aufschießen. 
4. Näheres über den vegriffsuinfang. 
Des Lebens Tiefen, die Weiten der Wel 
Die Heimat in sich verschlossen hält. 
Betrachten wir m Kürze, in welch eigenartiger Weise die einzelnen Wissenschaften 
und heimatbelange zur Schule in Beziehung stehen.. 
a) Die Heimatnatur muß uns Busgangspunkt aller Brbeit fein, denn in ihr 
wurzeln alle übrigen Verhältnisse und Zustände, wir gehen von den gegebenen Tatsachen, 
von den Erscheinungen der Bodengestalt und der Lufthülle aus, ohne erst lange dem letzten 
*) Der letzte Satz nach Dr. Th. Scheffer: „Heimat und Brbeit!" Schulwiss. Verlag 
B. haase, Prag-Wien-Leipzig. Geb. M. 2.50.
	        
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