Volltext: Heimat und Volkstum

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3m vorstehenden habe ich eine schwache Andeutung aller der Einrichtungen und 
Bestrebungen gegeben, die der stets unermüdliche und schaffensfreudige Verein für länd¬ 
liche Wohlfahrts- und heimatpflege ins Leben gerufen hat. Es stand diesem vereine dabei 
stets auch das Ziel vor Augen, eine Verständigung von Stadt und Land zu erreichen, 
eine Ausgleichung zwischen dem eingebildeten „Kulturzentrum" und dem von der Stadt 
so übelbeeinflußten horte der völkskraft, dem geistig immer mehr verarmenden Lande. 
Cs sind soviel neue Gedanken und Siele, daß man nur wünschen sollte, es fänden sich 
überall tapfere und weitschauende Menschen, die sie im wirklichen Leben anwendeten 
und ausbauten. 
Der wegen seiner erfolgreichen Arbeit in dieser Richtung bekannte westpreußische 
Lehrer Seefried Gulgowski schreibt in einer der letzten Nummern des „Land" unter 
anderem zu unserer Frage: 
„Volksbildung ist zum Schlagwort geworden, versteht man darunter die Loslösung 
und Beseitigung der ursprünglichen Eigenart eines Volkes?" 
„Bleiben wir bei unserer wichtigsten und allgemeinsten Bildungsstätte: der Schule. 
Schon in ihrem Bau, Ln ihrer äußern Anlage trägt sie einen fremden Stempel. Wo hätten 
wir __ abgesehen von einigen vorbildlichen Anläufen der letzten Friedensjahre — in 
dem Bau des Schulgebäudes die dörfliche Eigenart berücksichtigt? Und wie ist es mit 
dem inneren Betrieb, mit dem Unterricht! Der Lehrer ist in vielen Fällen ein Städter, 
dem das Dorfleben völlig fremd ist. Die Erziehung und Vorbildung der Lehrer ist ganz 
auf städtische Verhältnisse zugeschnitten. Wo habest wir Lehrerseminare mit ländlicher 
Wohlfahrts- und heimatpflege im Stundenplan, trotzdem die Mehrzahl der Lehrer ihren 
Wirkungskreis auf dem Lande findet? (Die gelegentlichen Vorträge über Wohlfahrts¬ 
pflege Ln einigen Seminaren sind kein Verdienst des Staates, sondern des Vereins für 
ländliche Wohlfahrts- und heimatpflege.) 
Und der Unterrichtsstoff! Die „Allgemeinen Bestimmungen" gelten genau so für 
Berlin, wie für Sohlendorf in der Kaschubei oder Pillkeiten in Masuren. Und der Stoff¬ 
verteilungsplan einer großstädtischen Gemeindeschule unterscheidet sich von einer ein- 
klassigen Dorfschule nur durch das Unterrichtsquantum. von einer Rücksichtnahme auf 
dörfliche Eigenart und Kultur ist nirgends auch die leiseste Spur. Es hat sich auch bei 
den Lehrern immer mehr die Überzeugung herausgebildet: der Lehrer gehört in die 
Schule, was darüber geht, sei von Übel. Es gibt Lehrer, die jabrelang in einem Orte 
sind und dabei die Häuser nur von außen kennen. Eine engere Fühlungnahme mit dem 
Volk wird selten angestrebt, oft sogar als nicht „standesgemäß" direkt abgelehnt. 
Das Thema „Schule und Dorf" wäre wert, in einem eigenen Kapitel behandelt zu 
werden, hier wollte ich nur kurz darauf hinweisen, daß unsere Landschulen gar keine 
Dorfschulen sind, sondern nur der Abklatsch eines städtischen Systems." 
Schriftenkundliches zur Wohlfahrtspflege. 
Ruch für diese Arbeiten, die sozusagen angewandte Heimatkunde bedeuten, sind ge¬ 
naue Kenntnisse von Land und Volk, von der geschichtlichen Entwicklung der heutigen Zu¬ 
stände die wichtigste Vorbedingung; wir finden aber im bisherigen schulwifsenschaftlichen 
Schrifttum nur wenige Veröffentlichungen, die der sozialen und wirtschaftlichen Seite der 
heimatbelange Aufmerksamkeit widmen, hier seien einige einschlägige Schriften und Auf¬ 
sätze genannt: 
h. Becker, Was kann die Landschule zur Lösung der sozialen Frage tun? (pädag. 
Abhandl., Bielefeld, helmich.) 
R. E. peerz, Der heimatkundliche Unterricht im Dienste der volkswohlfahrt. 42 S. 
K 1.—Verlag der Blätter f. d. Abteilungsunterrickt, Laibach. (Nur die kurze Einleitung 
entspricht dem Titel.) 
A. Berger (3. Storch). Erziehung zur Gemeinnützigkeit. Prag-Wien-Leipzig, 1913. 
Schulwissenschaftlicher Verlag A. haase. 128 S. Geh. K 3.60 (M. 3.—). (Für den Moral¬ 
unterricht zur Weckung sozialen Sinnes grundlegend!) 
Foh. Spatzal, Die Fortbildungsschule im Dienste der Jugendpflege. 19 S. K 0.75 
(HI. 0.60). Derselbe Verlag. 1915. 
d>. Eberhard. Lebenskunde in der Fortbildungsschule. 84 S. K 2— (HI. 1.70). Derselbe 
Verlag. 1917. (Wertvolle Lehrpläne im Anhang!) 
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