Volltext: 64. Heft 1914/16 (64. Heft 1914/16)

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studieren. Bietet sie doch auch für den ferne Stehenden 
ein Bild davon, zu welchen Mitteln bei der großen Reich- 
weite der Geschütze heutzutage die Artillerie greifen muß, 
um nicht nur ihre Treffresultate beobachten, sondern 
vor allem ihre Schüsse ins Ziel bringen zu können. 
* * 
Auf der Reede von Saloniki. 
Da stehen sie, die weißen, gelben, braunen und 
schwarzen Gestalten unserer Feinde, Viehhorden gleich 
zusammengepfercht, an Deck des ungeschützten Fahr- 
zeuges. Es ist so Brauch bei den Briten. 
Die Weißen haben ihr Leben schnöden Gewinnes 
wegen verkauft und aufs Spiel gesetzt; nicht selten zwang 
die zu Anwerbungszwecken mitunter künstlich von Staats 
wegen herbeigeführte Not sie zu diesem gefährlichen 
Schritte. Und die andersfarbige Gesellschaft? Es sind 
Sklaven; sie haben keine Meinung. 
Sie scheinen lustig, diese Kampfgenossen. Kommen 
sie doch aus jener Hölle an der Küste Gallipolis, wo es 
Feuer und Eisen regnete, ohne Unterlaß aus sicheren 
türkischen Stellungen Tod und Verderben spie. Goldene 
Berge wurden ihnen versprochen. Und was wartet ihrer? 
Es ist der Feind, des Todes unerbittliche Allgewalt. 
Mit eiseskaltem, starrem Antlitz, mit gewaltigen Schwin- 
gen steht er auf der Wacht. Wehe dem, der seine Bahn 
durchkreuzt. Einem dünnen Stabe gleich lugt sein 
Späherauge aus den blauen Fluten; der schlanke Leib 
verbirgt sich in dem Meere, in ihm das Rüstzeug, ein 
Triumph der Wissenschast und Technik, die Intelligenz 
der so viel gehaßten deutschen „Barbaren". 
Ein kurzes Zeichen ruft die Mannschaft auf ihre Ge- 
fechtsstation; in fieberhafter Spannung erwarten sie den 
Angriff. Noch ist der Brite nicht nah genug. Die beglei- 
tenden Zerstörer umgeben ihn, sorgsam Umschau haltend. 
Doch was nützen sie? Sie können warnen, ein Sirenen- 
geheul anstimmen, aber kaum schützen oder abwehren. 
Das Unterseeboot hat seinen Kurs geändert; das 
Periskop ragt kaum noch aus dem Wasser. Es läuft dem 
Transportdampfer behend entgegen, genau auf einen 
Zerstörer zu. Der Unterseebootskommandant verwendet 
keinen Blick vom Rohre; in regelmäßigen Zwischen- 
räumen ruft ein Mann den Abstand aus. Da wird es 
Zeit zum Schuß. 
Ein Wort — ein Griff und prustend, zischend setzt 
sich ein Torpedo nach dem anderen in Bewegung. Weiße 
Blasen steigen an Steuerbord, zwei gerade Linien nach 
dem Transportschiff hin zeichnend, an die Wasserober- 
fläche. Die Torpedos treffen; es ist sicher. Da löst der 
Zerstörer den ersten Schuß. Das Geschoß saust fauchend 
durch die Luft. Die Dampfsirenen heulen, doch längst 
ist das Periskop des U-Boots untergetaucht. Einen 
Augenblick nur und die rollenden Wellen der Explosion 
der Torpedos kommen nacheinander wie fernes Donner- 
grollen an die Bordwand. Gleich darauf rauscht de^ 
Zerstörer mit großem Schwalle über das längst tiefer 
laufende U-Boot hinweg. Fast bringt es der gewaltige 
Schraubensog aus seinem sicherenKurse. Eine kurze Strecke 
noch, und es kann sich getrost an die Oberfläche wagen. 
Was haben seine Torpedos angerichtet? Sie trafen 
im Vorschiff" und Maschinenraum. Ungeheure Wasser- 
garben stiegen auf, alles, was erreichbar, mit sich reißend, 
Spieren, Boote und Kräne. Eine Flutwelle schlägt über 
das Verdeck, alles durchnässend und die Menschenmassen 
durcheinanderwerfend. Die getroffene Seite hebt sich 
gewaltig in die Höhe, dann rollt das Schiff auf die schwer¬ 
verletzte Seite und schüttet die ganze Deckslast Menschen 
kunterbunt über Bord. —Rette sich, wer kann! 
Um einige schwimmende Wrackstücke entspinnt sich 
nun ein heftiger Kampf. Mit den Wellen kämpfend, 
reißen schnell die Farbigen ihre stets bereiten Messer aus 
der Scheide, um sich Luft zu machen, da rollt auch schon 
das Schiff kieloben und vergräbt wohl die Hälfte der mit 
dem Tode Ringenden unter sich. 
Die Zerstörer haben längst beigedreht; sie retten, was 
zu retten ist, dann reckt der Dampfer nochmals sein Heck 
gespensterhaft in die Höhe, wie ein Sturmwind heult die 
ausströmende Luft, dann verschwindet er langsam in dem 
nassen Element. I Pelz. 
* P 
* 
Feldzugsbetrachtungen aus dem Osten. 
„Die Kugel ist eine Törin, das Bajonett allein ist 
weise." An diesen Ausspruch des Feldmarschalls Su- 
woroff soll der russische Soldat durch das immer auf- 
gepflanzte Bajonett erinnert werden, und unwillkürlich 
denkt jeder daran, der die russische Infanterie im Gefecht 
sieht. Aber das ist nicht vielen beschieden. Denn vom 
kernigen Dranfgehen des berühmten Generals hat nämlich 
die jetzige russische Truppe recht wenig behalten. Der 
Spaten ist ihr liebstes Werkzeug und im schnellen Ein- 
graben hat das russische Fußvolk eine unerreichte Meister- 
schaft. Im Nu ist es verschwunden... Vom Schießen 
oder vielmehr vom Zielen halten sie nicht viel. Ein 
dentschsprechender russischer Gefangener sagte mal zu 
unseren Kameraden: „Ich wundere mich, daß Ihr 
Deutschen so dumm seid". Auf weiteres Befragen 
meinte er: „Ihr steckt ja die Köpfe über den Graben 
beim Schießen, da müßt Ihr ja Verluste haben." In 
der Tat bauen sich die Russen, wenn es irgend geht, 
„Schützenlöcher", die 4 bis 5 Fuß tief und so lang sind, 
daß er sich auf den Boden ausstrecken kann. So erwartet 
er den deutschen Angriff, aber nicht zum Kampf mit der 
blanken Waffe, sondern um sich abführen zu lassen. 
Heute nach anderthalb Jahren Feldzug hat Rußland 
aber nur noch Trümmer eines Heeres. Die Angriffslust 
der Rennenkampfschen Gewalthanfen einst war besser ent- 
wickelt, sie mußten es nur auch der genialen Führung 
Feldmarschall Hindenburgs zu bitter büßen. Eigenartig 
ist es auch, daß der Russe nur noch nachts kämpft. Wenig- 
stens, wenn er das Karnickel ist, das anfängt. Am Tage 
verkriecht er sich. Anscheinend hat er eine gewaltige 
Scheu vor unserm wohlgezielten Artillerie- und Jnfan- 
teriefener. Die Kanonen hat man ihm größtenteils 
abgenommen, Artilleriemunition ist knapp, Schrapnells 
— deren Zeitzünderkonstruktion sehr schwierig ist — versteht 
man in Rußland anscheinend überhaupt nicht zu machen, 
sie gibt's fast gar nicht mehr. Das russische Dienstgewehr 
ist eine liederlich konstruierte, liederlich gefertigte und 
noch liederlicher gehaltene Waffe. Wir schießen damit 
die rudelweise herrenlos herumstreifenden Hunde tot. 
Aber es ist kein Vergnügen, diesen widerhaarigen, ver- 
schmutzten Verschluß zu handhaben, das grobe Visier, 
der sperrige Abzug machen die so schon mangelhafte 
Treffgenauigkeit noch schlechter. Dazu kommt, daß der 
Infanterie das moderne Spitzgeschoß knapp wird. So 
verschießt sie zweierlei Geschosse, das alte schwere mit 
rundem Kopfe, das neue leichte mit scharfer Spitze. Die 
Flugbahn beider ist ganz verschieden. Das macht dem 
Panje anscheinend nichts aus; wenn's man knallt. 
Sogar verschiedene Gewehre hat man drüben einstellen 
müssen. Die jungen Rekruten in Kurland ließen ganze
	        
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