Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

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Deutsche Soldaten auf dem Weg zur Grenze. (Nach einer phot. Aufnahme von Hofphot. Franz Tellgmann, Mühlhausen.) 
„Mit der größten Beunruhigung höre ich von dem Ein- 
druck, den Österreich-Ungarns Vorgehen gegen Serbien in 
Deinem Reiche hervorruft. Die skrupellose Agitation, die seit 
Jahren in Serbien getrieben worden ist, hat zu dem em- 
pörenden Verbrechen geführt, dessen Opfer Erzherzog Franz 
Ferdinand geworden ist. Der Geist, der die Serben ihren 
eigenen König und seine Gemahlin morden ließ, herrscht heute 
noch in jenem Land. Zweifellos wirst Du mit mir darin über- 
einstimmen, daß wir beide, Du und ich, sowohl wie alle Sou- 
veräne ein gemeinsames Interesse daran haben, darauf zu 
bestehen, daß alle diejenigen, 
die für den scheußlichen Mord 
moralisch verantwortlich sind, 
ihre verdiente Strafe erleiden. 
Andererseits übersehe ich 
keineswegs, wie schwierig es 
für Dich und Deine Regie- 
rung ist, den Strömungen der 
öffentlichen Meinung entgegen- 
zutreten. Eingedenk der herz- 
liehen Freundschaft, die uns 
beide seit langer Zeit mit 
festem Band verbindet, setze ich 
daher meinen ganzen Einfluß 
ein, um Österreich-Ungarn dazu 
zu bestimmen, eine offene und 
befriedigende Verständigung 
mit Rußland anzustreben. Ich 
hoffe zuversichtlich, daß Du 
mich in meinen Bemühungen, 
alle Schwierigkeiten, die noch 
entstehen können, zu beseitigen, 
unterstützen wirst. 
Dein sehr aufrichtiger und er- 
gebener Freund und Vetter 
(gez.) Wilhelm." 
Darauf erwiderte der 
Zar am 29. Juli: 
„Ich bin erfreut, daß Du Ein Bauernhaus 
zurück in Deutschland bist. In (Provinz 
diesem so ernsten Augenblick 
bitte ich Dich inständig, mir zu helfen. Ein schmählicher Krieg 
ist an ein schwaches Land erklärt worden, die Entrüstung hier¬ 
über, die ich völlig teile, ist in Rußland ungeheuer. Ich sehe 
voraus, daß ich sehr bald dem Druck, der auf mich ausgeübt 
wird, nicht mehr werde widerstehen können und gezwungen 
sein werde. Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege führen 
werden. Um einem Unglück, wie es ein europäischer Krieg 
sein würde, vorzubeugen, bitte ich Dich im Namen unserer 
alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu tun, um Deinen 
Bundesgenossen davon zurückzuhalten, zu weit zu gehen. 
(gez.) Nikolaus." 
Der Kaiser entgegnete an demselben Tage: 
„Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen 
Wunsch nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich — 
wie ich Dir in meinem ersten 
Telegramm sagte — Österreich- 
Ungarns Vorgehen nicht als 
einen „schmählichen Krieg" be- 
trachten. Österreich - Ungarn 
weiß aus Erfahrung, daß Ser- 
biens Versprechungen, wenn sie 
nur auf dem Papier stehen, 
gänzlich unzuverlässig ' sind. 
Meiner Ansicht nach ist Oster- 
reich-Ungarns Vorgehen als 
ein Versuch zu betrachten, volle 
Garantie dafür zu erhalten, 
daß Serbiens Versprechungen 
auch wirklich in die Tat um- 
gesetzt werden. In dieser An- 
sicht werde ich bestärkt durch 
die Erklärung des österreichi- 
schen Kabinetts, daß Österreich- 
Ungarn keine territorialen Er- 
oberungen auf Kosten Ser¬ 
biens beabsichtigt. Ich meine 
daher,' daß es für Rußland 
durchaus möglich ist, dem öfter-- 
reichisch-serbischen Krieg gegen¬ 
über in der Rolle des Zu- 
schauers zu verharren, ohne 
Europa in den schrecklichsten 
Krieg hineinzuziehen, den es 
jemals erlebt hat. Ich glaube, 
in Großgörschen. daß eine direkte Verständigung 
Sachsen.) zwischen Deiner Regierung und 
Wien möglich und wünschens- 
wert ist, eine Verständigung, die — wie ich Dir schon tele- 
graphierte — meine Regierung mit allen Kräften zu fördern 
bemüht ist. Natürlich würden militärische Maßnahmen Ruß- 
lands, welche Österreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, 
ein Unglück beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wünschen. 
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