Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

und würden auch ineine Stellung als Vermittler, die ich — 
auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe — be¬ 
reitwillig angenommen habe, untergraben. ^ ^ Wilhelm." 
Inzwischen hatte der Kaiser erfahren, daß die 
russische Mobilmachung gegen Österreich befohlen 
worden war. Besorgt telegraphierte er noch einmal 
am 30. Juli: 
„Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die 
Gefahren und schweren Konsequenzen einer Mobilisation hin- 
zuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzten Tele- 
gramm gesagt. Österreich-Ungarn hat nur gegen Serbien 
mobilisiert, und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn 
Rußland, wie es jetzt nach Deiner 
und meiner Regierung Mittei- 
lung der Fall ist, gegen Öfter- 
reich'Ungarn mobil macht, so 
wird die Vermittlerrolle, mit der 
Du mich in freundschaftlicher 
Weise betrautest und die ich auf 
Deine ausdrückliche Bitte ange- 
nommen habe, gefährdet, wenn 
nicht unmöglich gemacht. Die 
ganze Schwere der Entscheidung 
ruht jetzt auf Deinen Schultern, 
sie haben die Verantwortung für 
Krieg oder Frieden zu tragen. 
(gez.) Wilhelm." 
Die Antwort des 
erfolgte auf der Stelle. Sie 
lautete: 
„Ich danke Dir von Herzen für 
Deine rasche Antwort. Ich ent- 
sende heute Abend Tatischtschew 
mit Instruktion. Die jetzt in 
Kraft tretenden militärischen 
Maßnahmen sind schon vor fünf 
Tagen beschlossen worden, und 
zwar aus den Gründen der Ver- 
teidigung gegen die Vorberei- 
tungen Österreichs. Ich hoffe von 
ganzem Herzen, daß diese Maß- 
nahmen in keiner Weise Deine 
Stellung als Vermittler beein- 
flussen werden, die ich sehr hoch 
anschlage. Wir brauchen Deinen 
starken Druck auf Österreich, damit es zu einer Verständigung 
mit uns kommt. (geä ) Nikolaus." 
Am 31. Juli telegraphierte dann der Zar noch 
einmal an den Kaiser: 
„Ich danke Dir von Herzen für Deine Vermittlung, die 
eine Hoffnung aufleuchten läßt, daß doch noch alles friedlich 
enden könnte. Es ist technisch unmöglich, unsere militärischen 
Vorbereitungen einzustellen, die durch Österreichs Mobilisie- 
rung notwendig geworden sind. Wir sind weit davon ent- 
fernt, einen Krieg zu wünschen. Solange wie die Verhand- 
hingen mit Österreich über Serbien andauern, werden meine 
Truppen keine herausfordernde Aktion unternehmen. Ich gebe 
Dir mein feierliches Wort darauf. Ich vertraue mit aller 
Kraft auf Gottes Gnade und hoffe auf den Erfolg Deiner 
Vermittlung in Wien für die Wohlfahrt unserer Länder und 
den Frieden Europas. Dein Dir herzlich ergebener 
Nikolaus." 
Mit diesem Telegramm des Zaren kreuzte sich 
folgendes auch am 31. Juli nachmittags 2 Uhr abge¬ 
sandtes Telegramm des Kaisers: 
„Auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Deine 
Bitte um meine Hilfe habe ich eine Vermittlungsaktion zwischen 
Deiner und der Österreichisch-Ungarischen Regierung aufge- 
nommen. Während diese Aktion im Gange war, sind Deine 
Der Humor der ausziehenden deutschen Krieger. 
Nach einer Originalzeichnung für die Jllustrirte Zeitung von 
Emil Linnner 
Truppen gegen das mir verbündete Öfterreich-Ungarn mobi¬ 
lisiert worden, wodurch, wie ich Dir schon mitgeteilt habe, 
meine Vermittlung beinahe illusorisch gemacht worden ist. Trotz- 
dem habe ich sie fortgesetzt. Nunmehr erhalte ich zuverlässige 
Nachrichten über ernste Kriegsvorbereitungen auch an meiner 
östlichen Grenze. Die Verantwortung für die Sicherheit meines 
Reiches zwingt mich zu definitiven Gegenmaßregeln. Ich bin 
mit meinen Bemühungen um die Erhaltung des Weltfriedens 
bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen. Nicht 
ich trage die Verantwortung für das Unheil, das jetzt der 
ganzen zivilisierten Welt droht. Noch in diesem Augenblicke 
liegt es in Deiner Hand, es abzuwenden. Niemand bedrohte 
Ehre und Macht Rußlands, das wohl auf den Erfolg meiner 
Vermittlung hätte warten können. Die mir von meinem Groß- 
vater auf dem Totenbette überkommene Freundschaft für Dich 
und Dein Reich ist mir immer 
heilig gewesen, und ich habe 
treu zu Rußland gestanden, 
wenn es in schwerer Bedrängnis 
war, besonders in seinem letzten 
Kriege. Der Friede Europas 
kann von Dir jetzt noch erhalten 
werden, wenn Rußland sich ent- 
schließt, die militärischen Maß- 
nahmen einzustellen, die Deutsch- 
land und Österreich-Ungarn be¬ 
drohen." 
Aber Rußland hatte in- 
zwischen das getan, was jede 
weitere Verhandlung aus- 
schloß. Am 31. Juli war 
der Befehl ausgegeben wor- 
den zur Mobilisierung der 
ganzen russischen Armee und 
Flotte und zwar in der 
Frühe des 31. Juli! Der 
Zar gab also am Nachmit- 
tag sein feierliches Wort 
darauf, daß er keine feind- 
liche Aktion einleiten wolle, 
und hatte sie am Vormittag 
schon längst eingeleitet. Ganz 
ebenso waren die höchsten 
russischen Würdenträger dem 
österreichischen Botschafter gegenüber verfahren, dem 
sie unaufgefordert ihr feierliches Ehrenwort verpfändet 
hatten, daß Rußland gegen Österreich nichts Feind- 
liches im Schilde führe, während doch die Mobil- 
machung schon im vollen Gange war, ein Verfahren, 
das man in Deutschland Unehrenhaftigkeit nennt. 
Der Deutsche Kaiser verfügte hierauf den Kriegs- 
zustand im Reiche (31. Juli), der ja an sich noch nicht 
Mobilmachung bedeutet, aber der Mobilmachung 
voraufgeht. Er ließ gleichzeitig der russischen Regierung 
durch seinen Botschafter eröffnen, daß er mobilmachen 
werde, wenn Rußland nicht binnen 12 Stunden 
seine militärischen Maßnahmen gegen Deutschland und 
Österreich einstelle und ihn davon in Kenntnis setze. 
Eine Antwort darauf hat die russische Regierung 
nie erteilt! 
Dagegen telegraphierte nun der Zar an den Kaiser: 
„Ich habe Dein Telegramm erhalten. Ich verstehe, daß 
Du gezwungen bist, mobil zu machen, aber ich möchte von 
Dir dieselbe Garantie haben, die ich Dir gegeben babe, näm- 
lich, daß diese Maßnahmen nicht Krieg bedeuten und daß wir 
fortfahren werden, zu verhandeln zum Heile unserer beiden 
Länder und des allgemeinen Friedens der unseren Herzen so 
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