Volltext: Der Sammler 10. Jahrg. 1914 (1914)

2 — 
kmidliches. Die Privilegien der Stadt Schärding. 
Altinnviertler Volks» und Baukunst. Die Bilder 
sammlung v. Preen. Zur Jahrhundertausstellung 
im Landesmuseum zu Linz. Von den alten Stadt 
siegeln. Ein wertvolles Sterbekreuz. Die Kapelle zu 
den hl. Siebenschläfern. Das Glockeniürmchen auf 
der Döpferkapelle in Brunnental. Spenden für das 
Stadtmuseum 1913. Die Schärdinger Weihnachts 
krippe. Volkskunst. Fossile Ausgrabungen. Was ein 
altes Gebetbuch erzählt. 
„Der Sammler" ist eine verläßliche Stütze 
für die Arbeiten das Musealvereines, er zählt viele 
Freunde. Daß diese Mithilfe möglich wurde, dankt 
der Verein seinem Mitglied« Buchdruckereibesitzer 
Herrn I. Vees, der nunmehr schon durch neun 
Jahre diese Mitteilungen kostenlos erscheinen läßt. 
Der Musealverein spricht hiefür seinen besten 
Dank aus. 
Der Berichterstatter nimmt zum Schlüsse 
geziemende Gelegenheit, allen zu danken, die den 
Verein und das Museum in irgend einer Weise 
im abgelaufenen Jahre unterstützt haben. Es gilt 
dieser Dank dem Herrn k. k. Statthaltereirat Alex. 
Wagner, der Stadtgemeinde, der Sparkassa Schär 
ding, der k. k. Zentralkommission für Denkmal 
pflege sowie Herrn Karl Gruber, Schriftsteller, 
Wien. Besten Dank sagt ferners der Bericht 
erstatter allen Herren des Arbeitsausschusses für 
ihre bereitwillige Unterstützung und für das rege, 
jederzeitige Interesse, das sie der Musealvereins 
sache entgegengebracht haben. 
Seinem Herrn Stellvertreter sowie allen 
Spendern und Spenderinnen dankt der Obmann 
des Vereines in gleicher verbindlicher Weise. 
Gin seltenes Uotiv! 
Eine unscheinbare, bemalte Holztafel von der 
Größe 25:29, mit schmalen Leisten eingesäumt, 
oben durchlocht, da ja die Tafel zum Aufhängen 
war, so recht der Typus einer alten Votivtafel, 
liegt vor uns. Sie ist als Geschenk vom Gemeinde- 
Polizeidiener Fr. Hager an das Museum ge 
kommen und stammt aus dessen Familie. Ein ehr 
würdiges Alter, die Tafel, war 1730 geopfert, 
macht uns schon aufmerksam, und die Darstellung 
regt uns zum Denken an, denn sie ist sehr 
originell. 
Ober eienm Altartisch steht ein Kreuz. Auf 
diesem Kreuz ist eine weibliche Figur, angetan mit 
langem, weißem Gewände und mit einer schweren 
Goldkrone am Haupte, sowie Christus sichtbar. An 
einem Fuße trägt die Figur einen Schuh, der 
andere Fuß ist bloß. 
Am Altartisch stehen zwei brennende Kerzen 
und inmitten des Altartisches steht ein Schuh, der 
jedenfalls zu dem unbedeckten Fuß der Heiligen 
gehört hat. 
Vor dem Altar kniet ein Geiger, mehr mit 
städtischer Kleidung angetan, der voll Andacht und 
Ergebenheit zur Heiligen aufsieht und mit dem 
Bogen seine Geige bearbeitet. Die Heilige sieht mit 
scharf ausgeprägtem, lächelndem Gesichte auf das 
zerknirschte Geigerlein herab. Darunter steht, wie 
oben schon erwähnt, „Ex voto 1730' geschrieben. 
Damals also hat es in hiesiger Gegend ein 
schwer bekümmertes Geigerherz gegeben, das in 
seiner Not und Sorge dieses Votivbild geopfert 
hat. Es handelt sich hier um eine Anrufung einer 
wundertätigen Heiligen, und möglicherweise hat der 
Bedrängte im frommen Glauben an die Legende 
vom „Geiger von Gmünd" die heil. Cäcilia, die 
Patronin aller lieder- und musikfrohen Leute, um 
Besserung seines Loses gebeten. Ob mit Erfolg — 
das konnten wir leider nicht mehr feststellen. Da 
uns aber durch einen freundlichen Zufall das Ge 
dicht vom „Geiger von Gmünd" zur Verfügung 
steht, so wollen wir des schönen Zusammenhanges 
halber dasselbe in seinen hauptsächlichsten Strophen 
im unterhaltenden Teile des „Sammler" beigeben. 
Um ein tatsächlich interessantes Stück wurde 
hiedurch das Museum bereichert. Wie es nun schon 
einige Male geschehen ist, daß der Zufall mit 
einem freundlichen Geschenk gleichzeitig Ergänzendes 
brachte, so geschah es hier. 
An einem der nächsten Tage, nachdem das 
Votivbild übergeben wurde, brachte derselbe Spen 
der ein altes vergilbtes, gedrucktes Gebet, das 
lautet: „Ursprung und Gebet von der heil. Jung 
frau und Märtyrin Willgefvrt oder Kümmernis, 
in besonderen Anliegen zu sprechen. Erschienen bei 
Lutzenberqer in Altötting." Auf der ersten Seite 
finden wir unseren Geiger wieder, wie er vor 
einer Gekreuzigten kniet, auf seiner Geige spielt 
und voll Erwartung zu der Heiligen emporblickt, 
— wir lesen dann: 
„Wer ist diese Heilige und wie ist ihr Bild 
zu erklären? Die heil. Kümmernis oder Willgefvrt 
war die Tochter eines heidnischen Königs von 
Sizilien. Zum christlichen Glauben bekehrt, gelobte 
sie Jungfrau zu bleiben. Ihr Vater aber wollte 
sie zur Ehe mit einem heidnischen König zwingen. 
Doch umsonst. Erzürnt, ließ sie der gottlose Vater 
mit glühenden Zangen peinigen und ins Gefäng 
nis werfen, bis sie den Götzen opfere und nach 
seinem Willen heiraten würde. Darauf begehrte die 
Heilige, Jesus möge sie derart entstellen, daß kein 
Mann sie zur Ehe begehre. Christus gab ihr dar 
auf das Ansehen eines Mannes und einen starken 
Bart. Der Vater, sie also erblickend, entsetzte sich 
und ließ sie mit einem elenden Rock ans Kreuz 
schlagen. Später bereute er seine Tat, bekehrte sich 
und ließ seiner Tochter eine Kirche bauen und in 
derselben ihr Bild aufstellen. Vor demselben ge 
schahen viele Wunder. Unter anderem spielte ein 
armer Geiger vor dem Bilde, dessen Familie schier 
verhungerte, so schlecht ist es ihm ergangen. In 
ihrer Barmherzigkeit warf sie ihm ihren goldenen 
Schuh zu. Er aber ward zum Galgen verurteilt, 
weil man glaubte, daß er ihn geraubt habe. Da 
erbat er sich die Gnade, nochmals vor dem Bilde 
spielen zu dürfen. Und siehe, in Gegenwart des 
Volkes warf ihm St. Kümmernis auch den zweiten 
Schuh hin. Und so ward seine Unschuld erkannt. 
Von da an erhielt sich im Volke der Glaube, daß
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.