Volltext: Der Sammler 3. Jahrg. 1907 (1907)

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Das Stadtmuseum in Scharding. 
In letzterer Zeit wurde die Frage öffent 
lich erörtert, ob die Entstehung von Lokalmuseen 
nicht einen endgültig ungünstigen Einfluß auf 
das große Landesinstitut nehmen wird. Weit 
gehende Befürchtungen und nicht gerade aner 
kennende Worte wurden Jenen zuteil, welche sich 
um das Zustandekommen von Lokalmuseen be 
mühen. In diesem heißen Streite ist eine ein 
gehende Beleuchtung der Sache durch Herrn 
Professor Dr. K. S ch i f f m a n n , die am 
30. Oktober l. I. im „Linzer Volksblatte" er 
schienen ist, von der wohltätigsten Folge ge 
wesen, und nachdem diese eingehende Erörter 
ung den Titel trägt „Das Stadtmuseum in 
Schärding" und nachdem der Herr Verfasser 
gegen die Wiedergabe des Artikels im „Samm 
ler" keine Einwendung erhoben hat, sind wir in 
der angenehmen Lage, alle unsere Leser mit 
diesen Darlegungen bekannt zu machen: 
„In allerjüngster Zeit macht sich in 
unserem Lande eine Musealbemegung geltend, 
um das Ding kurz zu nennen. Den, Steyrer 
und Ennser Lokalmuseum folgte das Welser und 
Schärdinger und neuestens rührt es sich auch 
in Kirchdorf und Gmunden. 
Alle wollen ein Stadtmuseum oder haben es 
schon. Wohin soll das führen? So fragen 
sich offenbar schon manche und schütteln bedenk 
lich das Haupt. Eine Zuschrift in der „Linzer 
Tagespost" wies auf die Gefahr der Zersplit 
terung und auf die indirekte Beeinträchtigung 
des Landesmuseums hin, ein anderer Einsender 
wieder machte, ebenfalls in der „Tagespost", den 
beredten Anwalt der jüngsten Blüten des 
Lokalpatriotismus. Die Frage verträgt sicher 
ein Für und Wider, aber solche Erörterungen 
haben nur einen Sinn, wenn man den Gegen 
stand scharf formuliert. Man darf jedenfalls 
die Sache nicht so zuspitzen, daß man tragt: 
Sind Lokalmuseen nützlich oder schädlich? 
Darauf läßt sich nämlich durchaus keine bün 
dige Antwort geben, sondern nur auf die 
Frage: Unter welchen Bedingungen sind sie be 
grüßenswert? Sache einer nüchternen Er 
wägung ist es, diese Bedingungen festzustellen. 
Die Errichtung kleiner Lokalmuseen läßt 
sich durch theoretische Einwände nicht hindern, 
ist in vielen Gegenden Deutschlands längst zur 
vorbildlichen Tatsache geworden und aus ethi 
schen und patriotischen Gründen aller För 
derung wert/ 
Es kann sich somit für alle maßgebenden 
Kreise und Freunde der heimatlichen Geschichte 
nur darum handeln, die an sich löbliche Be 
wegung in Bahnen zu lenken, die eine Beein 
trächtigung oder Gefährdung höherer, allge 
meinerer Interessen, wie sie von den großen 
Landesmuseen vertreten werden, möglichst aus 
schließen. Das kann aber wieder nur geschehen, 
wenn man die Aufgaben, dieser schon bestehen 
den oder ihrer Errichtung nahen Stadtmuseen 
eng umgrenzt. Meines Erachtens hat es keinen 
Zweck, in jedem beliebigen größeren Orte solche 
Sammlungen ins Dasein zu rufen. Es sollen 
das doch nur solche mit einer halbwegs bedeu 
tenden Vergangenheit tun, sonst haftet dem 
Unternehmen der Fluch der Lächerlichkeit an. 
Die Sammlungen sollen ja nicht etwa alte 
Sachen um ihrer selbst willen konservieren und 
dem Beschauer zeigen, sondern die Geschichte 
des Ortes in Typen vergegenwärtigen. Wie 
kann inan aber das, wenn eben in der Ver 
gangenheit jeder heroorradende Zug fehlt? 
Man wird doch nicht für „Spenser" und 
alte Gardistensäbel überall ein Museum bauen 
oder einrichten wollen. 
Wir können demnach Stadtmuseen in 
Städten wie Steyr, Enns, Wels vom Stand 
punkte ihrer Geschichte für voll berechtigt halten, 
bei anderen Gemeinwesen aber werden wir wohl 
nach einer anderen Basis suchen müssen. 
Eine solche bietet sich, wenn der Ort etwa 
die Wiege hervorragender Männer mar, deren 
Name entiveder in aller Munde oder mit 
unseren, Lande aufs innigste verknüpft ist. 
Wenn also beispielsweise Schärding seinem 
Denis und Lamprecht ein Zimmer einrichtet, so 
darf man solches Beginnen gewiß nur freudig 
begrüßen. Noch eine dritte Möglichkeit läßt sich 
für die Begründung von Lokalmuseen ins Tres 
sen führe r ; das wäre die, daß ein dafür in 
Aussicht genommener Ort etwa der Mittelpunkt 
eines seit nralten Zeiten blühenden, aber heute 
dem Niedergänge geweihten Gewerbes, Industrie- 
oder Kunstbetriebes ist. 
Sollte also der Markt Kirchdorf den Ehr 
geiz haben, die Traunviertler Sensenindustrie in 
allen ihren Stadien durch ausgewählte Typen 
dem interessierten Besucher vergegenwärtigen zu 
wollen, so ist auch dagegen nichts einzuwenden. 
Schädlich wirken derartige Lokalmuseen 
nur, wenn sie über den angegebenen Rahmen 
hinaustreten und sich auf das unterschiedslose 
Sammeln alter Sachen „aus der Gegend". ver 
legen, und größere Museen einfach im kleineren 
Maßstabe kopieren wollen. Das wäre ein ganz 
törichter Versuch, der das Landesmuseum in 
umso höherem Grade zu schädigen geeignet 
wäre, je epidemischer diese Musealbewegung um 
sich griffe. 
Was erwarten wir also in unseren kleinen 
Museen nicht? Bor allem nicht, daß Dinge 
aufgesammelt werden, deren Provenienz sich nicht 
mit Sicherheit ermitteln läßt, oder Dinge, die 
mit den, betreffenden Orte sonst nichts zu tun 
haben, als daß sie dort jemand besessen hat, 
z. B. alte Bücher, Porzellan, Wachsstöcke. Selbst 
wenn sich feststellen liefe, daß alte Kleidungs 
stücke, Waffen u. dgl. tatsächlich aus dem nächsten 
Umkreis des Museums stammen, sind sie deshalb
	        
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